Herzinfarkt und Schlaganfall bei Typ-1-Diabetes oft erblich bedingt
Der Frage, welche Rolle genetische Faktoren im Hinblick auf das kardiovaskuläre Risiko bei Typ-1-Diabetes spielen, gingen Forschende um Professor Dr. Ionut Bebu von der George Washington University in Rockville nach. Falls sich ein Zusammenhang zwischen Genetik, kardiovaskulärem Risiko und Diabetes nachweisen lässt: Unterscheidet sich der Zusammenhang von jenem in der Allgemeinbevölkerung?
Um diese Fragen beantworten zu können, rekrutierten die Wissenschaftler 1371 Personen mit Typ-1-Diabetes, die in den 1990er-Jahren sowohl an der randomisierten DCCT-Studie als auch an der anschließenden Beobachtungsstudie EDIC teilgenommen hatten. Somit konnten sie auf umfangreiche demografische, anamnestische, klinische und laborchemische sowie genomweite Genotypisierungsdaten aus insgesamt rund 30 Nachbeobachtungsjahren zurückgreifen.
Unabhängig von BZ, Blutdruck, Medikation und Raucherstatus
In ihrer Untersuchung testeten sie die Teilnehmenden auf das Vorliegen verschiedener individueller Genvarianten sowie polygene Risikoscores. Diese waren in vorangegangenen Studien mit Biobankpopulationen als Risikofaktoren für kardiovaskuläre Komplikationen identifiziert worden. Im zweiten Schritt prüften die Wissenschaftler, inwiefern ein Zusammenhang zwischen den genetischen Auffälligkeiten und der Anzahl schwerer kardiovaskulärer Ereignisse – Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall (sog. MACE) – bzw. jeglicher Art kardiovaskulärer Komplikationen bestand. Dazu zählten z.B. angiographisch/im Belastungstest bestätigte Angina, subklinischer Myokardinfarkt, Revaskularisierung und Herzinsuffizienz. Variablen wie Alter, Lipidwerte, Blutdruck, Blutzuckerkontrolle, Rauchstatus, Medikation, Diabetesdauer und Familienanamnese, die den Zusammenhang verfälschen könnten, wurden bei der Berechnung entsprechend berücksichtigt.
In den etwa 30 betrachteten Jahren war es insgesamt zu 227 kardiovaskulären Ereignissen gekommen, 112 zählten zur MACE-Kategorie, waren also „schwer“. Die polygenen KHK-Risikoscores korrelierten hochsignifikant mit dem späteren Auftreten kardiovaskulärer Komplikationen. Personen mit einem Scorewert im höchsten Terzil wiesen ein um 75 % höheres kardiovaskuläres Risiko auf als jene Teilnehmenden, deren Werte in den beiden unteren Terzilen lagen. Bezüglich der schweren Ereignisse ging ein Punktwert im höchsten Terzil mit einem 80%igen größeren Risiko einher. Ähnliche Assoziationen konnten für bestimmte Single-Nukleotid-Polymorphismen gefunden werden.
Genetische Vorbelastungen beeinflussen also das Herz-Kreislauf-Risiko von Menschen mit Typ-1-Diabetes in erheblichem Ausmaß – und zwar unabhängig von weiteren bekannten Risikofaktoren. Die polygenen Scores stellen nach Alter und HbA1c den drittwichtigsten Risikofaktor sowohl bezüglich jeglicher als auch schwerer kardiovaskulärer Komplikationen dar, so das Fazit.
Quelle: Bebu I et al. Diabetes Care 2021; DOI: 10.2337/dc20-2388