Inadäquate Polypharmazie: Mängel bei der Verordnung von NSAR und PPI
Bei multimorbiden Älteren kann es passieren, dass man durch die Vielzahl an verschiedenen Medikamenten irgendwann mehr Schaden als Nutzen anrichtet. In diesem Fall spricht man von einer „möglicherweise nicht angemessenen Arzneimittelverordnung“ (potentially inappropriate prescribing, PIP). Den Patienten drohen durch die Polypharmazie vermehrt Nebenwirkungen und sie haben ein erhöhtes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko.
Um die PIP auch innerhalb der Population mittleren Alters zu erfassen, haben Amandeep Khatter von der School of Population and Health am King’s College in London und Kollegen über die Jahre 2014–2019 wiederholt Daten zu Medikamentenverordnungen bei 45–64-Jährigen erhoben.
Verschreibungsdaten von rund 50 Mio. Patienten untersucht
Eine PIP war definiert als eine Abweichung von den 22 sogenannten PROMPT*-Kriterien bei Personen mit mehr als einer Verordnung in diesem Zeitraum. Der Anteil lag für die rund 50 Mio. ausgewerteten Patienten bei bis zu 20 % – und damit in einer vergleichbaren Größenordnung wie bei den über 65-Jährigen.
Über die sechs Beobachtungsjahre stieg die Multimorbiditätsquote von 47 auf 52 %, der Anteil an Polypharmazie blieb gleich. Die PIP-Rate sank allerdings von 20 % auf 18 %. Am häufigsten widersprach eine Verordnung den PROMPT-Kriterien, weil zwei und mehr Substanzen aus derselben Stoffgruppe (7,6 %) verschrieben wurden oder eine Verordnung von NSAR über mehr als drei Monate erfolgte (7 %). Es gab nur ein Kriterium, bei dem es einen Zuwachs der Prävalenz gab: Wenn PPI langfristig (d.h länger als acht Wochen) mit einer höheren als für die Erhaltungstherapie empfohlenen Dosis eingesetzt wurden.
Dass die Medikamentenverordung innnerhalb eines Jahres schon bei rund jedem fünften Patienten im mittleren Alter nicht den PROMPT-Kriterien entspricht, überraschte, schreiben die Autoren. Betroffen schienen in der vorliegenden Erhebung v.a. multimorbide polypharmazeutisch behandelte Patienten sowie ältere und solche mit niedrigerem sozioökonomischen Status.
* Cooper JA et al. BMC Health Serv Res 14, 484, DOI: 10.1186/s12913-014-0484-6
Quelle: Khatter A et al. Br J Gen Pract 2021; DOI: 10.3399/BJGP.2020.1048