Hodentorsion

Definition

Unter einer Hodentorsion versteht man die akute Drehung von Hoden und Samenstrang um die Längsachse mit nachfolgender Drosselung oder Unterbrechung der Durchblutung. In etwa einem Fünftel der Fälle von akuten Beschwerden im Bereich des Skrotums liegt solch eine Hodentorsion vor, die sofortiges Handeln erfordert.

Abhängig vom Ausmaß der Torsion ist innerhalb von 2–12 (im Mittel 6–8) Stunden mit einer hämorrhagischen Infarzierung und Nekrose des Hodens zu rechnen. Entscheidend für den Grad der Hodenschädigung sind Dauer und Ausmaß der Torsion. Von einer inkompletten Torsion spricht man, wenn primär nur der venöse Abfluss gestört ist. Durch die intakte arterielle Blutzufuhr kommt es hierbei zu einer Stase von Blut mit Kongestion und Schwellung, die schrittweise in ein interstitielles Ödem mit sekundärer arterieller Obstruktion, venöser und arterieller Thrombose sowie hämorrhagischer Gewebsnekrose des Hodens übergehen kann.

Grundsätzlich kann die Hodentorsion in jedem Lebensalter vorkommen. Einen kleineren Häufigkeitsgipfel gibt es im ersten Lebensjahr (vor allem bei Neugeborenen), einen größeren in der Pubertät zwischen dem 12. und 18. Lebensjahr. In dieser Altersgruppe liegt das Risiko bei 1 zu 4.000. Ursache der Torsion ist eine abnorme Beweglichkeit des Hodens (Pendelhoden) innerhalb seiner Hüllen und seines Aufhängungsapparates. Retinierte oder verspätet deszendierte Hoden sind besonders gefährdet.

Man unterscheidet verschiede Formen:

Intravaginale Torsion

  • häufigste Form
  • typisch, wenn retinierte Hoden betroffen sind, oder bei Torsionen jenseits des 10. Lebensjahres

Extravaginale Torsion

  • oberhalb der Umschlagsfalte der serösen Hüllen
  • gehäuft bei präpubertären Kindern und bei Neugeborenen fast ausschließlich

Mesorchiale Torsion

  • selten
  • Torsionsform zwischen Hoden und Nebenhoden bei langem Mesorchium oder entwicklungsbedingter Dissoziation von Hoden und Nebenhoden
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Symptomatik

Typsiche Symptome sind:

  • plötzlich eintretende heftige Schmerzen in einer Skrotalhälfte mit starkem lokalem Druckschmerz
  • Ausstrahlung in Leiste und Unterbauch möglich
  • kann mit Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbruch und Tachykardie bis hin zum Schock einhergehen
  • typischerweise Auslösung unabhängig von äußeren Einflüssen
  • in etwa einem Drittel der Fälle anamnestisch bereits ähnliche Episoden
  • bei betroffenen Bauchhoden kann die Symptomatik einer akuten Appendizitis ähneln
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Untersuchung
  • lokal zunehmende Schwellung und zunächst nur mäßigen Rötung des betreffenden Hodenfaches
  • jede Manipulation ist äußerst schmerzhaft, insbesondere das Anheben des Hodens (Prehn-Zeichen)
  • betroffener Hoden steht höher und erscheint weniger mobil als die kontralaterale Seite
  • Kremasterreflex ist auf der betroffenen Seite nicht auslösbar
  • bei Torsionen nicht deszendierter Hoden schmerzhafte, mit Rötung und Überwärmung einhergehende Leistenschwellung bei leerem Skrotalfach.
Labor

Ultraschall

  • initial keine oder nur geringe Veränderungen
  • Morphologie variiert je nach Dauer und Ausprägung der Ischämie
  • manchmal allgemeine Hypoechogenität des Parenchyms bei zunehmender Volumenvergrößerung
  • Inhomogenität im Hodenparenchym, verursacht durch Nekrosen oder Einblutungen (prognostisch eher ungünstig)
  • evtl. direkte Darstellung des verdrehten Samenstranges (Whirlpool-Zeichen)

Dopplersonographie

  • ermöglicht rasche Beurteilung der Hodendurchblutung
  • seitengleicher Nachweis einer intratestikulären arteriellen und venösen Gefäßdurchblutung schließt eine Hodentorsion weitgehend aus
  • bei fehlendem oder im Seitenvergleich vermindertem intratestikulären Flusssignal Hodentorsion wahrscheinlich
  • verstärkte Durchblutung der Skrotalwand- und Kapselgefäße kann bei intravaginaler Torsion erhaltene Hodendurchblutung vortäuschen
  • partielle Torsion (<360°) kann übersehen werden
  • falsch positive Dopplerbefunde bei Neugeborenen und Kleinkindern aufgrund eines physiologisch reduzierten Blutflusses möglich

Ist die Torsion sonographisch nicht sicher auszuschließen, muss eine operative Hodenfreilegung zur Befundsicherung erfolgen!

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Differenzialdiagnostik

Wichtige Differenzialdiagnosen sind:

  • traumatische Hodentorsion
  • Hydatidentorsion (Torsion kleiner Anhanggebilde)
  • Epididymoorchitis
  • projizierte Hodenschmerzen (z.B. nach Leisteneingriffen)
  • idiopathisches Skrotalödem
  • IgA Vaskulitis (Purpura Schönlein-Henoch)
  • traumatische Verletzungen
  • Hodentumoren
  • Leistenhernie
  • Hydrozele testis (schmerzfrei)
  • Varikozele (schmerzfrei)
  • entzündliche Veränderungen der Skrotalhaut (z.B. bei Windeldermatitis)
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Pharmakotherapie und nichtinvasive Therapie

Manuelle Detorsion

Eine manuelle Drehung der Torsion sollte nur in außerklinischen Notfällen vorgenommen werden, wenn in absehbarer Zeit keine operative Versorgung möglich ist.

Voraussetzungen sind eine kurze Schmerzanamnese, gesicherte skrotale Hodenposition und bislang fehlende Begleitveränderungen. Außerdem ist ein erfahrener Untersucher notwendig, der die Drehrichtung sicher bestimmen kann.

Der Behandlungserfolg wird durch eine prompte Beschwerdefreiheit und einen normalisierten Tastbefund angezeigt. Bei jeglicher Unsicherheit bezüglich der Vollständigkeit der Detorsion muss unverzüglich die operative Exploration des Hodens vorgenommen werden.

Unabhängig vom Erfolg sollte zeitnah eine prophylaktische beidseitige Orchidopexie erfolgen (innerhalb von 12 bis 24 Stunden).

Invasive und Interventionelle Therapie

Offene chirurgische Detorsion

  • sollte innerhalb der ersten 4–6 Stunden erfolgen
  • nach 8 Stunden steigt das Risiko einer späteren Hodenatrophie oder irreversiblen Nekrose signifikant an
  • Eingriff von skrotal und nur in begründeten Fällen (Hodenhochstand, inkarzerierte Hernie, unklarer Befund/ DD: Tumor) von inguinal
  • nach Freilegung und Detorsion des Hodens sollte die Erholung des Hodens (im Zweifelsfall bis zu 30 Minuten) abgewartet werden (evtl. Auflegen warmer Kochsalz-Kompressen)
  • evtl. Inzision der Tunica albuginea zur besseren Hodenparenchymbeurteilung und Materialentnahme für Histopathologie sowie zur Dekompression bei Ödem
  • Ablatio testis bei gesicherter Nekrose des freigelegten Hodens
  • prophylaktische Pexie der Gegenseite kann zeitgleich erfolgen, bei ausgedehnten entzündlichen Veränderungen auch im Intervall
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Prävention

Nach operativer Versorgung einer Hodentorsion sollte eine prophylaktische Pexie der Gegenseite erfolgen. 

Nach manueller Detorsion und evtl. bei unvollständiger Torsion wird eine prophylaktische beidseitige Orchidopexie empfohlen.

Leitlinien

S2k-Leitlinie 006/023: Akutes Skrotum im Kindes- und Jugendalter

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