Doppelt hält nicht immer besser

ESMO 2021 Friederike Klein

Das Versagen liegt wohl in der Tumorpathophysiologie.
Das Versagen liegt wohl in der Tumorpathophysiologie. © iStock/Design Cells

Mit einem medianen Gesamtüberleben von weniger als einem Jahr steht HER2- Magenkrebspatienten im fortgeschrittenen Stadium eine schlechte Prognose bevor. Kombiniert man die Erstlinien-Chemotherapie mit einer Checkpoint-Blockade, verbessern sich die Aussichten. Mit einer rein dualen Immuntherapie gelingt dies hingegen nicht.

Erstmals konnten Wissenschaftler in der kürzlich veröffentlichten primären Analyse von CheckMate­ 649 einen Überlebensvorteil unter der Therapie mit dem Checkpoint-Inhibitor Nivolumab plus Chemotherapie gegenüber der alleinigen Chemotherapie demonstrieren.1 Die Studienkohorte hatte sich zusammengesetzt aus mehr als 1.500 Erwachsenen mit fortgeschrittenem Karzinom des Magens, des gastroösophagealen Übergangs oder mit fortgeschrittenem Adenokarzinom der Speiseröhre.

Drei Therapieregime ließ man gegeneinander antreten:

  • 360 mg bzw. 240 mg Nivolumab alle drei bzw. zwei Wochen plus Chemotherapie (XELOX* oder FOLFOX**; n = 789)
  • XELOX oder FOLFOX alle drei bzw. zwei Wochen (n = 833)
  • Nivolumab (1 mg/kgKG) plus Ipilimumab (3 mg/kgKG alle 3 Wochen), anschließend 240 mg Nivolumab alle zwei Wochen (n = 409)

Wie Professor Dr. Yelena­ Janjigian­ vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York berichtete, hatte man den dritten Arm allerdings vorzeitig aufgrund erhöhter Toxizität und früher Todesfälle schließen müssen. Die Onkologin präsentierte neben den aktualisierten Daten der ersten beiden Studienarme erstmals über die Ergebnisse zur dualen Immuntherapie.2

Ausgeprägter Überlebensvor- teil bei hoher Mikrosatelliteninstabilität

Nach einer medianen Beobachtungszeit von 24 Monaten betrug das mediane Gesamtüberleben bei PD-L1-positiven Patienten mit einem Combined Positive Score (CPS) von mindestens 5 unter Nivolumab plus Chemotherapie 14,4 Monate bzw. unter ausschließlicher Chemotherapie 11,1 Monate (HR 0,70; 95%-KI 0,61–0,81). In der Gesamtpopulation erreichte es im ersten Arm 13,8 Monate versus 11,6 Monate im zweiten Arm (HR 0,79; 95%-KI 0,71–0,88). Einen besonders ausgeprägten Überlebensvorteil verzeichneten Patienten mit hoher Mikrosatelliteninstabilität (HR 0,38; 95%-KI 0,17–0,83).

Das progressionsfreie Überleben war mit Nivolumab plus Chemotherapie bei PD-L1-positiven Patienten median zwei Monate länger als mit alleiniger Chemotherapie, über alle Teilnehmenden hinweg median knapp einen Monat (8,1 Monate vs. 6,1 Monate, HR 0,70; 95%-KI 0,60–0,81 bzw. 7,7 Monate vs. 6,9 Monate; HR 0,79; 95%-KI 0,70–0,89).

Häufiger Nebenwirkungen und Therapieabbrüche

Schwere unerwünschte behandlungs­assoziierte Effekte der Grade 3 oder 4 traten mit 60 % im Vergleich zu 45 % in der Immunchemotherapie-Gruppe signifikant häufiger auf. Nebenwirkungen jeglicher Schwere zwangen mehr als jeden dritten Patienten zum Abbruch der Behandlung, unter der ausschließlichen Chemotherapie war es jeder vierte Erkrankte.

Auf Grundlage dieser Ergebnisse kommt die Referentin zu dem Schluss, dass Nivolumab plus eine Chemotherapie der neue Standard für die Erstlinie von Patienten mit fortgeschrittenem, nicht-operablem Karzinom des Magens, des gastroösophagealen Übergangs bzw. des Adenokarzinoms der Speiseröhre ist. Das Regime erhielt inzwischen ein positives Votum des Committee for Medicinal Products for Human Use der EMA für diese Indikation. Voraussetzung bleibt der Nachweis einer PD-L1-Expression von CPS mindestens 5.

Für den Vergleich von dualer Checkpoint-Blockade und Chemotherapie hatte man Daten von 813 Patienten mit einer mindestens 35,7 monatigen Beobachtungsdauer herangezogen. Ein Vorteil der kombinierten Immuntherapie gab es dabei laut Prof. Janjigian­ nicht. Median erreichten Teilnehmende mit einem CPS von mindestens 5 ein Gesamt­überleben von 11,2 Monaten in der dritten Gruppe sowie 11,6 Monate unter der alleinigen Chemotherapie (HR 0,89; 96,5%-KI 0,71–1,10; p = 0,2302). Auch in der Gesamtpopulation ließ sich kein bedeutsamer Unterschied feststellen mit median 11,7 Monaten vs. 11,8 Monate (HR 0,91; 96,5%-KI 0,77–1,07).

Versagen liegt wohl in der Tumorpathophysiologie

Professor Dr. Florian­ Lordick­ vom Krebszentrum der Universität Leipzig führte den fehlenden Überlebensvorteil der dualen Immuntherapie beim Magenkarzinom im Gegensatz zum Ösophaguskarzinom vorrangig auf die unterschiedliche Tumorbiologie beider Entitäten zurück.3,4 Während bei Letzterem verschiedene genetische Alterationen ähnlich jenen von Kopf-Hals-Tumoren zu finden sind, zeichnen sich Magenkarzinome eher durch eine genomische Stabilität aus. Zudem weisen diese eine niedrige Mutationslast auf und sprechen daher schlecht auf eine alleinige Immuntherapie an.

Die Ausnahme bilden Tumore mit hoher Mikrosatelliteninstabilität, erklärte der Referent weiter. In der von seiner Vorrednerin präsentierten Studie hatte ebenjene sehr kleine Subgruppe von elf Personen mit diesem Merkmal doch von der dualen Blockade profitiert (medianes Gesamtüberleben nicht erreicht vs. 10,0 Monate; HR 0,28; 95%-KI 0,08–0,92). Ob diese Patienten überhaupt eine Chemotherapie benötigen, sei aktuell unklar.

* Capecitabin, Oxaliplatin
** Folinsäure, 5-Fluorouracil, Oxaliplatin

Quellen:
1. Janjigian YY et al. Lancet 2021; 398: 27-40; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)00797-2
2. Janjigian YY. 2021 ESMO Congress; LBA7
3. Lordick F. 2021 ESMO Congress; Presidential Symposium 2
4. Chau I et al. 2021 ASCO Annual Meeting; Abstract 4001

Kongressbericht – 2021 ESMO Congress

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Das Versagen liegt wohl in der Tumorpathophysiologie.
Das Versagen liegt wohl in der Tumorpathophysiologie. © iStock/Design Cells