Nicht-valvuläres Vorhofflimmern: „Einsatz von NOAK ist vertretbar“

Dr. Alexandra Bischoff

Das Risiko nach generalisierten tonisch-klonischen Krämpfen ist 27- bis 32-fach erhöht. Das Risiko nach generalisierten tonisch-klonischen Krämpfen ist 27- bis 32-fach erhöht. © iStock/Professor25

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte­schaft favorisiert nicht mehr so eindeutig die Vitamin-K-­Antagonisten. Zur Prophylaxe kardialer Thromboembolien bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern könnten auch NOAK zum Einsatz kommen, heißt es in einem Leitfaden der Kommission. Dabei gibt es einiges zu beachten.

Seit 2013 steigen die Verordnungszahlen für die Nicht-Vitamin-K-antagonistischen oralen Antikoagulanzien massiv an. 2018 wurden diese Gerinnungshemmer deutschlandweit mehr als doppelt so häufig verordnet wie die deutlich billigeren Vitamin-K-Antagonisten (VKA). So steht es im überarbeiteten Leitfaden „Orale Antikoagulation bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern“ der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ).

Seit Jahren erprobt, Antidota verfügbar

In den ersten beiden Auflagen hatten die AkdÄ-Experten aufgrund fehlender Antidota und mangels Daten zur Langzeitsicherheit noch empfohlen, Phenprocoumon und Co. gegenüber den neuartigen oralen Antikoagulanzien zu bevorzugen. Mittlerweile halten sie neben Vitamin-K-Antagonisten nun auch den Einsatz von NOAK zur Prophylaxe von kardioembolischen Erkrankungen bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern (nv-VHF) „für vertretbar“, insbesondere den von Apixaban.

Die Kommission begründet ihre Einschätzung damit, dass die NOAK nunmehr seit mehreren Jahren in der Praxis erprobt sind und Antidota gegen Dabigatran, Apixaban und Rivaroxaban zur Verfügung stehen. Grundlage bei der Entscheidung und der Auswahl des Antikoagulans müssten aber immer die klinische Gesamtsituation, Begleit­erkrankungen, Komedikation und die Präferenz des Patienten sowie eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung sein, betonen die Autoren des Leitfadens.

Vitamin-K-Antagonisten

In Deutschland wird als Vitamin-K-Antagonist hauptsächlich Phenprocoumon eingesetzt, das aufgrund einer möglichen Interaktion mit verschiedenen Nahrungs- und Arzneimitteln eine regelmäßige Kontrolle der International Normalized Ratio (INR) sowie Leberfunktionsprüfungen erfordert. Bei NOAK sind dagegen keine Gerinnungskontrollen erforderlich.

Bei leichten Blutungen kann man in der Regel abwarten

Neben dem im Vergleich zu allen NOAK höheren Risiko für schwere Blutungen haben VKA ein relativ enges therapeutisches Fenster sowie eine hohe inter- und intraindividuelle Variabilität in der therapeutischen Dosis. Antidot ist Vitamin K, dessen Wirkung verzögert eintritt; kurzfristig hilft die Gabe von Prothrombinkomplex-Präparaten (PPSB).

Nicht-Vitamin-K-antagonistische orale Antikoagulanzien

Derzeit zugelassene NOAK sind der direkte Thrombinhemmer Dabigatran sowie die Faktor-Xa-Hemmer Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban. Die Arzneimittelkosten sind etwa 15-mal höher als bei Phenprocoumon. NOAK statt Vitamin-K-Antagonisten sollten laut dem Leitfaden bei folgenden Patienten eingesetzt werden:

  • wenn ein hohes Risiko für intrazerebrale Blutungen besteht und wenn der Nutzen einer Antiko­agulation als größer eingeschätzt wird als das Risiko für eine Hirnblutung
  • bei stark schwankenden INR-Werten trotz regelmäßiger Einnahme von VKA
  • bei erhöhtem Risiko für spezifische Arznei- und Nahrungsmittelinteraktionen unter VKA
  • wenn die regelmäßige Kontrolle des INR-Wertes nicht möglich ist
  • bei neu diagnostiziertem nv-VHF, das akut eine Rhythmisierung oder Ablation erfordert, alternativ zu parenteralen Antikoagulanzien während und unmittelbar nach der Intervention

NOAK statt VKA? Nicht unter diesen Umständen

  • stabile INR im therapeutischen Bereich unter VKA (INR > 70 % der Zeit im therapeutischen ­Bereich)
  • unsichere Adhärenz
  • hohes Risiko für gastrointesti­nale Blutungen
  • schwere Nierenfunktionseinschränkung (CrCl < 30 ml/min)
  • im Fall von Edoxaban bei normaler Nierenfunktion (laut FDA bei CrCl > 95 ml/min nicht zugelassen)
  • Einnahme von Medikamenten, die mit Cytochrom-P450-3A4 und ­P-Glykoprotein interagieren
  • Antiphospholipid-Syndrom, das die Kriterien eines Hoch-Risiko-Profils erfüllt)
  • linksventrikuläre Thromben
  • künstliche Herzklappen

Im Fall von leichten Blutungen kann in der Regel abgewartet werden, bis die antikoagulatorische Wirkung abgeklungen ist. Handelt es sich um ein schweres, aber nicht lebensbedrohliches Ereignis, kann neben lokalen hämostyptischen Maßnahmen (mechanische Kompression, Tran­examsäure topisch) eine chirurgische Blutstillung, Flüssigkeitsersatz, Erythrozyten-/Thrombozytensubsti­tution sowie in Einzelfällen Tran­examsäure i.v. oder Desmopressin i.v. indiziert sein. Lebensbedrohliche Blutungen erfordern schnellstmöglich die Gabe eines Antidots:
  • Idarucizumab gegen Dabigatran als i.v. Kurzinfusionen (2 x 2,5 g)
  • Andexanet alfa gegen Apixaban und Rivaroxaban als Bolus i.v. (400 mg oder 800 mg) gefolgt von einer Infusion (4 mg/min oder 8 mg/min) über zwei Stunden
Andexanet alfa ist für Edoxaban mangels Daten bisher nicht zugelassen. Bei bedrohlichen Blutungen unter Edoxaban wird die Gabe von PPSB oder aktiviertem PPSB (FEIBA; 50 IE/kgKG) empfohlen. 

Quelle: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Orale Antikoagulation bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern, 3. überarbeitete Auflage November 2019

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Das Risiko nach generalisierten tonisch-klonischen Krämpfen ist 27- bis 32-fach erhöht. Das Risiko nach generalisierten tonisch-klonischen Krämpfen ist 27- bis 32-fach erhöht. © iStock/Professor25