Nierenversagen: Patienten nennen oft nicht alle Medikamente

Kathrin Strobel

Bei einer Niereninsuffizienz müssen auch die eingenommenen Medikamente genau unter die Lupe genommen werden. Bei einer Niereninsuffizienz müssen auch die eingenommenen Medikamente genau unter die Lupe genommen werden. © fotolia/tadamichi

Erhöhen sich plötzlich die Retentionswerte und/oder nimmt die Urinausscheidung eines Patienten stark ab, sollte man kürzlich verschriebene Pillen auf dem Schirm haben.

Grundsätzlich muss bei jeder Nierenaffektion an eine mindestens partielle Mitwirkung von Medikamenten gedacht werden“, so Nastaran Ghadimi und Kollegen von der Universitätsklinik für Nephrologie und Hypertonie im Inselspital Bern. Bei Anzeichen eines akuten Nierenversagens ist daher eine besonders ausführliche Anamnese wichtig.

Hierbei gilt es, neben Alter, Begleit­erkrankungen und aktueller Medikation auch frühere unerwünschte Medikamentenwirkungen und Allergien, kürzlich stattgefundene Hospitalisationen, Operationen oder kontrastmittelhaltige Untersuchungen zu erfragen. Da die Patienten nicht immer an alle Medikamente denken oder im Beisein ihrer Begleitung gezielt Informationen verschweigen, kommt man ums kritische Nachhaken häufig nicht herum.

Danach geht es weiter mit Bildgebung, Spontanurin- und Blutuntersuchung. Befinden sich Kristalle im Urin, können diese einen Hinweis auf die verursachende Substanz geben. Es vergeht einige Zeit, bis sich eine Nephrotoxizität auch im Anstieg des Serumkreatinins zeigt. Biomarker, die eine Schädigung schneller andeuten, sind bislang nicht etabliert.

Sind andere Ursachen ausgeschlossen, ist eine medikamentös bedingte Niereninsuffizienz wahrscheinlich. Die zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen hängen dabei von der Art des auslösenden Medikaments ab. So lassen Art und Lokalisation der Schädigung (z.B. prärenal, renal oder postrenal) gegebenenfalls Rückschlüsse auf das verursachende Agens zu (s. Kasten). Sobald klar ist, dass ein Medikament die Symptome verursacht, sollte dieses schnellstmöglich abgesetzt oder zumindest in seiner Dosis reduziert werden. Bei Polymedikation gilt: Die einzelnen Substanzen und deren potenzielle Wechselwirkungen genau unter die Lupe nehmen!

Häufige Pathomechanismen und deren Auslöser

  • Vasokonstriktion (Vas afferens) und/oder systemische Hypotonie, z.B. durch Calcineurin-Inhibitoren, Amphotericin B, iodierte Kontrastmittel oder nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR)
  • Vasodilatation (Vas efferens), z.B. durch ACE-Hemmer oder Angio­tensin-II-Rezeptor-Antagonisten
  • direkte Tubulotoxizität, z.B. durch Aminoglykoside, Amphotericin B, Cisplatin, Methotrexat, Foscarnet, antiretrovirale Medikamente (Cidofovir) und Kontrastmittel
  • glomeruläre Schädigung, z.B. durch Hydralazin, Chinin, Calcineurin-Inhibitoren, Interferon-alpha, Lithium, NSAR oder Bisphosphonate
  • interstitielle Nephritis, z.B. durch Antibiotika, aber auch Allopurinol, NSAR, Diuretika, Antikonvulsiva, Virostatika oder Protonenpumpenhemmer
  • Kristallablagerungen, z.B. durch Methotrexat, Antibiotika oder Viro­statika
  • osmotische Nephrose, z.B. durch Mannitol, Dextran oder Saccharose (bei intravenös verabreichten Immunglobulinpräparaten)
  • indirekte Nierenschädigung, z.B. im Rahmen einer Rhabdomyolyse durch Statine, Propofol, Opiate, Sedativa und Hypnotika

Da ein medikamenteninduziertes Nierenversagen oft nicht frühzeitig erkannt wird, ist die Prävention besonders wichtig. Bevor Sie ein neues Medikament verordnen, gilt es dem Patienten die richtigen Fragen zu stellen: Nimmt er bereits Medikamente ein? Wurde er vor Kurzem operiert? Gab es in der Vergangenheit unerwünschte Medikamentenwirkungen? Es liegt in der Verantwortung des verschreibenden Arztes, mögliche Risikofaktoren abzuschätzen und bei dringender Indikation die Nierenfunktion zu überwachen.

Wann biopsieren?

Eine Biopsie ist angezeigt
  • bei starker Proteinurie (> 1 g/l),
  • glomerulärer Hämaturie und/oder
  • neu aufgetretener Hypertonie,
  • beim Einsatz neuer und lebenswichtiger Medikamente, um Nebenwirkungen korrekt zu erfassen und Patienten einen Wirkstoff nicht unnötig vorzuenthalten.

Volumenstatus und Urinmenge beobachten

Da eine Abnahme der Diurese oder eine Verringerung des Volumenstatus die Gefahr eines Nierenversagens erhöhen, müssen diese Parameter im Blick behalten werden. Falls eine Therapie mit einem potenziell nierenschädigenden Medikament trotz bestehender Risikofaktoren unbedingt notwendig ist, sollte man dieses zumindest nicht mit weiteren nephrotoxisch wirksamen Medikamenten kombinieren. Zudem empfiehlt es sich, auf Interventionen mit hohem Risiko sowie Kontrastmittelgaben zu verzichten.

Quelle: Ghadimi N et al. Swiss Med Forum 2018; 18: 628-635

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Bei einer Niereninsuffizienz müssen auch die eingenommenen Medikamente genau unter die Lupe genommen werden. Bei einer Niereninsuffizienz müssen auch die eingenommenen Medikamente genau unter die Lupe genommen werden. © fotolia/tadamichi