RCC und UC: Wie lassen sich die Überlebenschancen verbessern?

ASCO 2021 Dr. Daniela Erhard

Heilungsvisionen für Krebs in Niere und Blase. Heilungsvisionen für Krebs in Niere und Blase. © iStock/magicmine

Die Therapien beim Nieren- und Blasenkrebs machen zwar Fortschritte. In puncto Überleben treten sie aber eher auf der Stelle. Zwei Kollegen sprachen darüber, welche Entwicklungen nötig sind, um mehr für Betroffene herauszuholen.

Wenn der Onkologe Professor Dr. Thomas­ Powles­ in die Zukunft blickt, sieht er Patienten, die er nach drei bis vier Monaten Therapie geheilt entlässt und zehn Jahre später zufällig im Supermarkt wiedertrifft. Die Realität von Erkrankten eines fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms (RCC) oder urothelialen Karzinomes (UC) liegt von dieser Vision jedoch noch weit entfernt. Nur 8–15 % sprechen beim RCC auf eine Erstlinie mit Checkpoint-Inhibitoren an, gab der Direktor des Londoner Barts Cancer Centers zu bedenken.1 Eine Größenordnung, die seiner Meinung nach nicht mit Heilung korrespondiere.

Noch dazu, weil trotz eines Ansprechens das mediane krankheitsfreie Überleben nicht Jahre, sondern oft nur einige Monate betrage. Trotzdem sollte man die Medikamente nicht unterschätzen. Denn die Studien zeigten auch, dass unter einer Behandlung aus Ipilimumab plus Nivolumab rund ein Drittel der RCC-Patienten mit mittlerem bis hohem Risiko dauerhaft ansprechen. Bei urothelialen Karzinomen mit Avelumab sei es ähnlich. Einige Erkrankte werden also möglicherweise geheilt, aber diese nehmen auch weiterhin ihre Medikamente.

Um zukünftig größere Erfolge zu erzielen, sind nach Ansicht des Kollegen einige Aspekte zu beachten. „Bessere Patientenselektion ist extrem wichtig“, betonte er. Dabei spielen Biomarker eine entscheidende Rolle. PD-L1 oder auch VEGF erfüllten die Erwartungen nicht. Eine Möglichkeit wäre vielleicht, mehrere klinische Marker zu kombinieren.

Prof. Powles plädierte jedoch dafür, stärker zu molekularen Biomarkern überzugehen. Bei RCC-Patienten sei es gelungen, sie anhand genetischer Signaturen in Subgruppen zu unterteilen, die unterschiedlich gut auf Checkpoint- und Angiogeneseblocker ansprechen. „Eventuell eine individuellere Methode der Risikoabschätzung, als die bisherige IMDC-Klassifikation beim RCC.“

Eine weitere Option wäre der Nachweis zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) im Plasma. So hatten Patienten mit invasivem UC in einer Studie einerseits eine schlechtere Überlebenswahrscheinlichkeit, wenn sich derartige ctDNA bei ihnen nachweisen ließ. Andererseits profitierten sie durch Azetolizumab besonders. Bei ihnen verlängerte sich das Überleben, während es für ctDNA-negative Erkrankte keinen Unterschied machte, ob sie mit dem Medikament behandelt wurden oder nicht. „Wir können Behandlungseffekte mit zirkulierenden Biomarkern messen“, nannte Prof. Powles einen weiteren Vorteil dieser Moleküle. So sei ein Rückgang von ctDNA im Plasma mit einer Response, ein Anstieg mit einem Rückfall assoziiert.

Eine andere Option für ein besseres Outcome in der Zukunft: die Wirkstoffe verbessern. Aktuell forsche man an Triple-Therapien, wie der Kombination aus Cabozantinib, Ipilimumab und Nivolumab, oder sogar Vierfachansätzen, sagte Prof. Powles. Sogar mit HIF-2α-Inhibitoren habe es Ansprechraten von 25 % gegeben, wenn auch meist nur mit partieller Response, und progressionsfreiem Überleben von 15 Monaten. Er selbst legte große Hoffnungen in CTLA-4-Inhibitoren.

Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten wie Enfortumab-Vedotin oder Sacituzumab-Govitecan traute der Onkologe ebenfalls einiges zu. Ersteres habe in einer kleinen Studie mit 43 Teilnehmern in 93 % der Fälle die Tumorgröße verringert. Die zielgerichteten Therapien mit FGFR-,­ PARP- oder mTOR-Inhibitoren hätten in Kombination mit Durvalumab dagegen bislang nicht einmal bei ausgewählten Patienten besser abgeschnitten als der Checkpoint-Inhibitor allein. Weiterhin könnte der Immunrezeptor TIGIT als Angriffsziel interessant sein, was sich in Studien mit Lungenkrebspatienten als attraktiv herausgestellt habe.

Zu guter Letzt wies Prof. Powles darauf hin, dass der Zeitpunkt der Therapie entscheidend zum Ergebnis beitrage. In diesem Zusammenhang sei es vor allem der Einsatz im perioperativen, also auch neoadjuvanten Umfeld, der besser untersucht werden müsse. „Da liegt meiner Meinung nach die neue Welt der Wirkstoffentwicklung und Heilung.“

Seine Kollegin Dr. Mamta­ Parikh­ von der University of California Davis in Sacramento ging auf die Therapiedauer genauer ein.2 Denn wie lang man Personen mit fortgeschrittenem RCC oder UC behandeln sollte und kann, sei völlig unklar. Sogar in den wichtigen Studien auf dem Gebiet schwankten die Zeiträume beträchtlich, sagte die Onkologin – beim RCC zwischen zwei und fünf Jahren, beim UC von 20–42 Monaten. Trotzdem lassen sich daraus Informationen für die Praxis ableiten, zeigte sie sich überzeugt.

Wie schon ihr Vorredner verwies sie darauf, dass einige Erkrankte dauerhaft auf die Therapie ansprechen – und das, obwohl ein Teil von ihnen die Behandlung vorzeitig abbrach. Insofern „wäre es vertretbar zu überlegen, eine Immuntherapie nach zwei Jahren zu unterbrechen“, meinte sie. Man versuche nun bei Patienten mit fortgeschrittenem UC herauszufinden, wie lang eine Checkpoint-Inhibition im Optimalfall dauern sollte und ob die Wiederaufnahme einer unterbrochenen Immuntherapie bei einem Rezidiv erneut zum Ansprechen führt.

Es gebe allerdings andere, patientenseitige Gründe, die man bei einer Entscheidung für oder gegen einen Abbruch bedenken müsse. Einige fänden die andauernde Behandlung mit Klinikbesuchen und Infusionen möglicherweise als lästig, andere ängstige die Unterbrechung und die damit verbundene Unsicherheit.

Toxizitäten scheinen dagegen eher kein Grund für Verkürzungen zu sein. Studien zum RCC hätten gezeigt, dass unerwünschte Effekte nach 18 Monaten ein Plateau erreichten, auch wenn sie nicht gänzlich verschwanden. So waren im CheckMate-214-Trial sogar nach mehr als 42 Monaten noch ca. 7 % unter einer Nivolumab/Ipilimumab-Therapie von Toxizitäten betroffen, jedoch überwiegend vom Grad 1–2. Ähnlich sehe das wohl bei Blasenkrebs aus.

Sollten Patienten dennoch die Behandlung wegen Nebenwirkungen abbrechen, geben die Daten der CheckMate-214-Studie Hoffnung, dass dies zumindest keinen Überlebensnachteil darstellt. Laut einer nachträglichen Analyse schritt bei 13 von 19 Teilnehmern, also gut zwei Dritteln, die Krankheit über ein halbes Jahr nicht voran, bei etwas mehr als einem Drittel sogar länger als ein Jahr. „In der Praxis ist es vertretbar, ein therapiefreies Intervall zuzulassen, in dem sich die Patienten von den Nebenwirkungen erholen können“, lautete das Fazit von Dr. Parikh. Voraussetzung sei allerdings, dass die Patienten engmaschig kontrolliert würden.

Was das genau bedeutet, stehe noch nicht fest. In den NCCN-Leitlinien ist beim RCC unter Therapie von Abstände von 6–16 Wochen die Rede. Dr. Parikh handhabt es bei Unterbrechungen wie folgt: Patienten, die aufgrund dauerhaften Ansprechens gerade nicht in der Praxis behandelt werden, sieht sie alle 12–16 Wochen. Liege der Grund in Nebenwirkungen, verkürzt sie das Intervall auf 6–12 Wochen. Entsprechend hält sie es mit der Bildgebung zur Kontrolle, wobei eventuell vorhandene Metastasen die Frequenz zusätzlich beeinflussen.

Quellen:
1. Powles T. 2021 ASCO Annual Meeting (virtuell)
2. Parikh M. A. a. O.

Kongressbericht: 2021 ASCO Annual Meeting (virtuell)

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