SGLT2-Hemmer noch vor Metformin geben?

Antje Thiel

Diskussion um die Erstlinien-Therapie für Typ-2-Diabetiker mit kardiovaskulärem Risiko. Diskussion um die Erstlinien-Therapie für Typ-2-Diabetiker mit kardiovaskulärem Risiko. © forma82 – stock.adobe.com

Jahrzehntelang haben Ärzte ihr Hauptaugenmerk darauf gerichtet, den HbA1c-Wert ihrer Typ-2-Diabetiker zu reduzieren. Allerdings hat die Senkung des Parameters keinen sonderlichen Effekt auf die Inzidenz schwerer kardialer Komplikationen.

Von einer Herzinsuffizienz sind in der Gesamtbevölkerung etwa 5–6 % betroffen. „Doch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist diese Rate doppelt so hoch“, verdeutlichte Professor Dr. Dirk Müller-Wieland von der Kardiologie am Schloss in Bergisch Gladbach. Eine Herzinsuffizienz trete bei Typ-2-Diabetes nicht nur häufiger, sondern auch deutlich früher auf – verbunden mit einer Fünf-Jahres-Mortalitätsrate von 25 %.

Angesichts dieser hohen Rate kardiovaskulärer Folgeerkrankungen und Komplikationen richten Dia­betologen und Kardiologen ihre Aufmerksamkeit seit einiger Zeit auf Studien, die den kardioprotektiven Effekt blutzuckersenkender Substanzen herausstellen. So könnten die inkretinbasierten Antidiabetika GLP*1-Rezeptoragonisten und DPP**4-Inhibitoren zwar das Risiko für schwere kardiale Komplikationen (major adverse cardiac event, MACE) verringern. Doch auf die Herzinsuffizienz als solche hätten sie nach der aktuellen Datenlage keinen Einfluss, bemerkte der Referent.

Neben Glukose wird auch Natrium ausgeschieden

Anders die Inhibitoren des Natrium-Glukose-Cotransporters namens SGLT2, deren kardio- und auch nephroprotektiver Effekt mittlerweile in diversen Studien nachgewiesen wurde. „Man muss sich hierfür den Wirkmechanismus der SGLT2-Hemmer vor Augen führen“, sagte Prof. Müller-Wieland. Durch die Hemmung der glomerulären Filterwirkung wird nicht nur Glukose, sondern auch Natrium ausgeschieden. Dies führt zu einer Druckentlastung des Herzens und erklärt den positiven Effekt von SGLT2-Hemmern auf die Herzinsuffizienz. „Unabhängig vom HbA1c-Wert ist das ein therapeutisches Konzept für Menschen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen“, betonte Prof. Müller-Wieland.

Option bei akzeptablem HbA1c und beginnender Insuffizienz

Mit Blick auf die Daten aus der DAPA-HF-Studie1 plädierte er dafür, bei manifester Herzinsuffizienz oder dem Vorliegen von Risikofaktoren für eine Herzinsuffizienz mit SGLT2-Hemmern zu behandeln. Bei Diabetologen ist der Aspekt des HbA1c-unabhängigen Einsatzes von SGLT2-Hemmern zwar noch umstritten, auch weil man dann die Rolle von Metformin als First-Line-Therapie neu definieren müsste. „Doch einem Patienten mit Typ-2-Diabetes, der zwar einen akzeptablen HbA1c-Wert von z.B. 6,8 % hat, aber Zeichen einer beginnenden Herzinsuffizienz zeigt, würde ich auch ohne Metformin einen SGLT2-Hemmer geben – allein für den Herzschutz“, schloss der Kollege.

Auch die Kardiologen beginnen mittlerweile umzudenken, wie Dr. Anselm­ K. Gitt­ vom Herzzentrum Ludwigshafen zeigte, der sich vorrangig der Atherosklerose widmete: „In den vergangenen Dekaden haben wir Kardiologen uns vor allem auf die Lipidsenkung konzentriert, doch das reicht eben nicht aus.“ Nach einem Typ-2-Diabetes habe man Patienten mit einer frischen KHK-Diagnose höchstens beiläufig gefragt. „Ansonsten hat uns das gar nicht weiter interessiert. Dabei behandeln wir als Kardiologen Menschen, von denen weniger als ein Drittel eine normale Glukosetoleranz haben – wir müssen uns also mit dem Thema Diabetes beschäftigen!“

Dr. Gitt sprach sich ebenfalls dafür aus, die Rolle der etablierten Substanzen zu hinterfragen: „Mit Metformin verhält es sich ähnlich wie mit Phenprocoumon – wir verordnen es seit Langem, doch eigentlich gibt es gar nicht so viele valide Daten hierzu.“ Die neuen Leitlinien der europäischen und US-amerikanischen Fachgesellschaften EASD, ESC und ADA bezeichnete er als einen „mutigen Schritt“, die First-Line-Therapie bei Typ-2-Diabetes und kardiovaskulären Komorbiditäten neu zu definieren.

* Glucagon-like peptide
** Dipeptidylpeptidase

Quelle: 1. McMurray et al. Eur J Heart Fail 2019; 21: 665-675; DOI: 10.1002/ejhf.1432

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