Corona-Pandemie: Korrekt und rechtssicher mit Mitarbeiterbelangen umgehen

Praxismanagement , Praxisführung Autor: Anouschka Wasner

Gemeinsam gegen Corona – sowohl für Praxisinhaber als auch Mitarbeiter eine Ausnahmesituation. Gemeinsam gegen Corona – sowohl für Praxisinhaber als auch Mitarbeiter eine Ausnahmesituation. © Michael Stifter – stock.adobe.com

Praxisinhaber sind meistens auch Arbeitgeber. Die Corona-Krise wirft für sie völlig neue Fragen auf, beispielsweise zur Fürsorge- und Arbeitspflicht oder zur Urlaubsplanung. Wir haben einen Juristen gefragt.

Ein großes Problem in Arztpraxen ist der unzureichende Nachschub an Schutzkleidung. Worauf muss ein Niedergelassener gegenüber seinen Mitarbeitern achten?

Prof. Dr. Dr. Alexander Ehlers: Ein Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass die Angestellten vor Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt werden. Der niedergelassene Arzt muss somit zumut­bare Schutzvorkehrungen treffen, damit eine Ansteckung der Mitarbeiter untereinander oder aufgrund Patientenkontakts verhindert wird. Die KBV, die Bundesärztekammer und die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege haben dazu eine Empfehlung veröffentlicht, auf die auch das Robert Koch-Institut (RKI) verweist. Sie beinhaltet die Vorgabe, dass alle Mitarbeiter mit ausreichender Schutzkleidung auszustatten sind.

Wenn der Arzt aber nicht über ausreichend Schutzkleidung verfügt, steckt er in einem Dilemma: Er will und muss seine Mitarbeiter schützen, muss aber auch die Versorgung seiner Patienten gewährleisten. Woran kann er sich halten?

Prof. Dr. Dr. Alexander Ehlers: Richtig, für die Ärzte ist die Situation alles andere als leicht. Sie müssen sicherstellen, dass die Mitarbeiter ausreichend geschützt sind, dürfen den Praxisalltag aber nicht durch Hygienemaßnahmen derart einschränken, dass die fachgerechte medizinische Versorgung der Patienten generell nicht mehr sichergestellt werden kann. Welche Maßnahmen bei einer Pandemie zu ergreifen sind, regelt die oben genannte Empfehlung. So ist z.B. eine räumliche und zeitliche Trennung der Virus-Patienten von den übrigen vorzunehmen. Zudem besteht die Pflicht, einen praxisinternen Pandemieplan zu erstellen, um festzuhalten, wer, was, wann, womit und wie lange zu tun hat.

Wie soll sich eine MFA verhalten, die von ihrem Praxischef angewiesen wird, mit unzureichender Schutzkleidung mit Patienten zu arbeiten?

Prof. Dr. Dr. Alexander Ehlers: Die MFA sollte umgehend den Praxischef über die Situation der mangelnden Schutzbekleidung informieren und darauf bestehen, entsprechend ausgestattet zu werden. Eine entsprechende Ausstattung ist erreicht, wenn von der Behandlung eines Patienten keine Infektionsgefahr für den Mitarbeiter ausgeht. Für den ambulanten Bereich sehen die Empfehlungen vor, dass die Mitarbeiter vor dem Kontakt mit einem (potenziell) infizierten Patienten Atemschutzmaske, unter Umständen Schutzbrille, Schutzkittel und Handschuhe anzulegen haben.

Was gilt für andere Berufe im Gesundheitsbereich? Was ist z.B. mit einer Ergotherapeutin, die vom Arbeitgeber angewiesen wird, sich selbst eine Maske zu nähen und ihrer Arbeit damit weiter nachzugehen? Darf sie die Arbeit verweigern?

Prof. Dr. Dr. Alexander Ehlers: Die Pflicht des Arbeitgebers, Maßnahmen zu ergreifen, um die Gesundheit und die Sicherheit seiner Angestellten zu gewährleisten, gilt in jedem Bereich. Die Aufforderung an einen Arbeitnehmer, sich selbst eine Schutzmaske zu nähen, ist nicht zulässig. Sollten in Krisenzeiten wie diesen Schutzmasken nicht ausreichend vorhanden sein, besteht natürlich die Möglichkeit, dass sich der Arbeitnehmer im eigenen Interesse selbst um die Schutzkleidung kümmert. Einen Anspruch darauf hat der Arbeitgeber jedoch nicht. Es wäre sozusagen reine Kulanz des Angestellten. Und er könnte sich dann die Kosten vom Arbeitgeber erstatten lassen. Kommt der Arbeitgeber seiner oben genannten Verpflichtung nicht nach, stellt dies übrigens grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit dar und kann unter Umständen mit einem hohen Bußgeld bestraft werden.

Unter welchen Bedingungen kann es für einen Arbeitnehmer gerechtfertigt sein, der Arbeit aus Angst vor Ansteckung fernzubleiben?

Prof. Dr. Dr. Alexander Ehlers: Ein Arbeitnehmer darf grundsätzlich nicht ohne gesundheitliche Symptome und lediglich aus Angst vor einer Ansteckung der Arbeit fernbleiben. Ein allgemeines Recht des Arbeitnehmers, bei Ausbruch einer Erkrankungswelle wie COVID-19 der Arbeit fernzubleiben, gibt es also nicht. Das Nichterscheinen des Arbeitnehmers würde zum Entfallen seines Vergütungsanspruches führen und ggf. zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung oder Kündigung. Ein anderer Fall könnte es aber sein, wenn das Arbeiten am Arbeitsplatz unzumutbar wäre. Also zum Beispiel, wenn die Arbeit für den Betroffenen eine erhebliche objektive Gefahr oder zumindest einen ernsthaft begründeten Verdacht der Gefährdung für Leib oder Gesundheit zur Folge hätte – etwa bei einem konkreten Infektionsverdacht. Das richtet sich aber nach den Umständen des Einzelfalls und kann nicht pauschal beantwortet werden.

Für eine Praxis kann es hilfreich sein, wenn Mitarbeitende zu einem bestimmten Zeitpunkt Urlaub nehmen, z.B. wenn in Teams aufgeteilt wird, um die Funktion der Praxis zu gewährleisten oder wenn Kurzarbeit droht. Darf ein Praxischef dazu auffordern, den Urlaub nach den Bedürfnissen der Praxis zu richten?

Prof. Dr. Dr. Alexander Ehlers: Eigentlich kann ein Praxischef nicht von sich aus bestimmen, wann ein Mitarbeiter Urlaub zu nehmen hat, wenn es nicht explizit im Arbeitsvertrag geregelt ist. Der Arbeitgeber muss die Urlaubswünsche seiner Angestellten berücksichtigen. Etwas anderes gilt aber zum Beispiel, wenn den Urlaubswünschen Wünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienen, entgegenstehen. Aber vor allen Dingen auch dann, wenn dringende betriebliche Belange vorliegen. In der aktuellen Situation lässt sich die Dringlichkeit der betrieblichen Belange unschwer begründen. Grundsätzlich sollten Angelegenheiten rund um den Urlaub aber im gegenseitigen Einvernehmen getroffen werden. Das gilt gerade in der Corona-Krise, die sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer außergewöhnlich ist.

Wie beurteilen Sie die Hinweise des RKI zu Personalengpässen durch Absonderung und Quarantäne? Vorgeschlagen wird z.B. die Verkürzung einer Absonderung auf sieben Tage bzw. die Möglichkeit, bei Symptomfreiheit mit Mund-/Nasenschutz weiterzuarbeiten. Geben diese Empfehlungen dem Arzt Rechtssicherheit oder läuft er damit ein Haftungsrisiko?

Prof. Dr. Dr. Alexander Ehlers: Diese Vorgaben des RKI gelten für den Sonderfall, dass ein relevanter Personalmangel besteht und alle anderen Maßnahmen zur Sicherstellung der Personalbesetzung bereits ausgeschöpft wurden. Und ja, grundsätzlich sind die Vorgaben und Empfehlungen des RKI hinsichtlich des Haftungsmaßstabs von Bedeutung. Sie haben zumindest Indizwirkung. Sollte es Extremfälle geben, in denen ein Arzt von den Vorgaben abweichen muss, wäre in einem Haftungsfall von einem Sachverständigen zu bewerten, ob sich der Arzt falsch verhalten hat und für einen möglichen Schaden aufkommen muss.

Quellen:
1. Empfehlung „Influenzapandemie – Risikomanagement in Arztpraxen“
2. Ergänzung „Influenzapandemie – Ergänzung zum Hygieneplan: Risikomanagement in Arztpraxen“
3. Optionen zum Management von Kontaktpersonen unter medizinischem Personal bei Personalmangel

Medical-Tribune-Interview

Prof. Dr. Dr. Alexander P. F. Ehlers, Rechtsanwalt 
und Arzt, München Prof. Dr. Dr. Alexander P. F. Ehlers, Rechtsanwalt und Arzt, München © zVg