Migräne: Prophylaxe mit Antikörpern in Leitlinie aufgenommen

Autor: Kathrin Strobel

Die monoklonalen Antikörper sorgen für deutlich weniger Migränetage. Die monoklonalen Antikörper sorgen für deutlich weniger Migränetage. © StockPhotoPro – stock.adobe.com

Der Kopf pocht, der Magen rebelliert, die Sicht verschwimmt – Migränepatienten kennen diese Symptome allzu gut. Neben effektiven Therapien für den Akutfall wünschen sie sich eine wirksame Prophylaxe. Seit Dezember findet sich hierfür auch in der Leitlinie eine neue Option: monoklonale Antikörper.

Der Bedarf an Medikamenten zur Migräneprophylaxe ist hoch. Zwar gibt es bereits einige Substanzen für diese Indikation (s. Kasten). Doch bei einem großen Teil der Patienten zeigen die Präparate keinen Effekt oder verursachen unerwünschte Nebenwirkungen. Und das spiegelt sich in der Adhärenz wider, schreibt das Autorenteam um Professor Dr. Hans-Christoph­ Diener­, Essen, im Addendum zur Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“.

Bisher verfügbare Prophylaktika

  • die Betablocker Propranolol, Metoprolol, Bisoprolol
  • die Antikonvulsiva Topiramat und Valproat (letzteres darf nur von Neurologen und Psychiatern verordnet werden)
  • Flunarizin
  • Amitriptylin
  • Onabotulinumtoxin A (nicht für die episodische Migräne)

In der Pathogenese der Erkrankung spielt der Vasodilatator Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) eine bedeutende Rolle, der während eines Anfalls ausgeschüttet wird. Durch Eingreifen in den CGRP-Kreislauf lassen sich Attacken effektiv beenden. Mit monoklonalen Antikörpern, die sich gegen CGRP oder dessen Rezeptor richten, steht nun eine neue Option zur Prophylaxe der Migräne zur Verfügung. Zugelassen sind sie, wenn pro Monat mindes­tens vier Migränetage auftreten und mindestens fünf der bisherigen zugelassenen Substanzen nicht gewirkt haben, nicht vertragen werden oder aufgrund von Kontraindikationen nicht infrage kommen. Bei Patienten mit chronischer Migräne kommen die Antikörper infrage, wenn zusätzlich die Behandlung mit Onabotulinumtoxin A nicht wirksam war.

Wirksamkeit der Therapie nach drei Monaten prüfen

Die Therapie sollte zunächst für drei Monate erfolgen. Nach dieser Zeit empfiehlt es sich, die Wirksamkeit der Behandlung zu überprüfen. Als Ansprechen gilt die Verminderung der Kopfschmerztage pro Monat auf mindestens die Hälfte über ein Vierteljahr im Vergleich zur vorangegangenen Behandlung (50-%-Res­ponderrate). Zur Dokumentation hilft das Führen eines Kopfschmerztagebuchs. Als alternative Kriterien nennen die Experten:
  • eine Reduktion des Migraine Disability Assessment Score (MIDAS) um 30 % für Patienten mit Werten über 20
  • eine Verbesserung im Sechs-Punkte-Headache-Impact-Test (HIT-6) um mindestens fünf Punkte
Lässt sich nach drei Monaten kein solcher Effekt zeigen, kann man die Therapie stoppen, sonst läuft sie weiter. Nach 6–9 Monaten schließlich raten die Autoren zum Auslassversuch, um zu testen, ob die Behandlung weiterhin notwendig ist. Bei Nichtansprechen auf einen CGRP-Antagonisten lohnt der Versuch, auf einen CGRP-Rezeptorant­agonisten zu wechseln (und umgekehrt). Bislang gibt es vier monoklonale Antikörper, die in klinischen Studien zur Behandlung von Patienten mit episodischer und chronischer Migräne getestet wurden:
  • Eptinezumab
  • Erenumab
  • Fremanezumab
  • Galcanezumab
In Phase-3-Studien waren alle vier untersuchten Antikörper einer Therapie mit Placebo überlegen. Nach 3–6 Monaten lag die 50-%-Responderrate bei Patienten mit episodischer Migräne zwischen 30 % und 62 %. Zum Vergleich: In den Placebogruppen waren es zwischen 17 % und 38 %, die bisher zur Prophylaxe eingesetzten Medikamente erreichen Raten von 35–50 %. Unter den Antikörpern kam es im Schnitt zu 2,9–4,7 weniger Schmerztagen pro Monat. Auch bei der chronischen Migräne zeigen sich die neuen Substanzen der Therapie mit einem Placebo überlegen. Die Verringerung der Migränetage pro Monat lag in den Studien zwischen 4,3 und 6,6 Tagen. Nach drei Monaten betrug die 50-%-Responderrate 27–57 % im Vergleich zu 15–40 % unter Placebo. Auch Kopfschmerzen durch Medikamentenübergebrauch linderten die modernen Präparate effektiv.

Ausschlusskriterien für die Antikörpertherapie

Nicht eingesetzt werden sollten monoklonale Antikörper gegen CGRP oder CGRP-Rezeptoren bei
  • Schwangeren und in der Stillzeit
  • Frauen, die nicht (ausreichend) verhüten
  • Patienten mit KHK, PAVK, ischämischem Insult oder Subarachnoidalblutung
  • Transplantationsempfängern
  • Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen, COPD, pulmonaler Hypertension, Morbus Raynaud, Wundheilungsstörungen
Zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen sowie von Patienten mit chronischen Vorerkrankungen liegen bisher keine Daten zur Verträglichkeit und Sicherheit vor.

ZNS-Nebenwirkungen sind nicht zu befürchten

Die Antikörper haben ein günstiges Nebenwirkungsprofil, betonen die Leitlinienautoren. Ein wichtiger Grund: Sie können aufgrund ihrer Größe die Blut-Hirn-Schranke nicht in relevantem Maß passieren, zentralnervöse Nebenwirkungen muss man daher nicht fürchten. Head-to-Head-Studien, die die neuen Antikörper direkt miteinander oder mit den bisher empfohlenen Prophylaktika vergleichen, gibt es noch nicht. Da sich zudem die Einschlusskriterien und Endpunkte der aktuellen Studien unterscheiden, lässt sich ein direkter Vergleich der verfügbaren Therapieoptionen bislang nicht ziehen, betonen die Autoren. Dennoch zeigen die Daten eindrücklich, dass monoklonale Antikörper das bisherige Therapiespektrum wirksam und sicher erweitern.

Quelle: Addendum „Prophylaxe der Migräne mit monoklonalen Antikörpern“ zur S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“, AWMF-Register-Nr. 030/057, www.awmf.org