Musterklagen sollen Honorarkürzungen für TI-Verweigerer stoppen

Praxismanagement , Praxis-IT Autor: Cornelia Kolbeck

„Ordentliche Installationen sind Einzelfälle“, deswegen wehrt sich die Mehrheit noch immer gegen die TI. „Ordentliche Installationen sind Einzelfälle“, deswegen wehrt sich die Mehrheit noch immer gegen die TI. © sharpi1980 – stock.adobe.com

Schon seit 15 Jahre ist die Telematik-Infrastruktur in Arbeit. Sicher ist die Datenübertragung allerdings bis heute nicht, mahnen Spezialisten. Dennoch wird vom Gesetzgeber bestraft, wer sich nicht mit seiner Praxis anschließt. Verbände warnen die Ärzte eindringlich, sich zu wehren.

Ernsthafte Sicherheitsbedenken zur Telematik-Infrastruktur (TI) sind der Auslöser für die in einer Pressekonferenz geäußerten Kritik der Freien Ärzteschaft, Medi Geno Deutschland und dem Freien Verband Deutscher Zahnärzte. Wie Dr. Werner Baumgärtner, Vorstandsvorsitzender von Medi Geno Deutschland und Medi Baden-Württemberg, berichtete, gab es 2018 bei einer bundesweiten Umfrage zur Installation der Konnektoren in den Praxen 1259 Rückmeldungen. Kritisiert wurden sowohl eine unzureichende Kostenerstattung für die Installation und den Betrieb der Konnektoren als auch technische Probleme. So habe es zum Beispiel in einer großen Praxis in einem Ärztehaus 600 Abstürze gegeben.

Die TI werde größtenteils nicht so aufgebaut, wie sie vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik als sicher zertifiziert wurde, kritisiert Jens Ernst, Geschäftsführer Happycomputer GmbH. „Wenn wir eine ordentliche Installation finden, ist das ein Einzelfall.“

Gegen Kürzungsbescheid Widerspruch einlegen

So gebe es offen gelassene Ports in den Konnektoren, die damit nicht besser als ein normaler DSL-Router seien, sagte Ernst. Anti-Viren-Programme und Firewalls würden von den Konnektor-Installateuren abgeschaltet, sicherheitsrelevante Funktionen deaktiviert. Eigentlich müsse der Internetstecker von den Ärzten nach Erstellen der Datenschutzfolgeabschätzung sofort gezogen werden, um nicht gegen die Datenschutzgrundverordnung zu verstoßen. Installationen würden nicht nur von qualifiziertem Personal vorgenommen, sondern u.a. von Zeitarbeitskräften. Der korrekte Anschluss werde nicht einmal bei einem Prozent der Praxen kontrolliert.

Gematik ist überzeugt: Der Konnektor ist sicher

Die Verbändevertreter monieren, die für die TI zuständige Gematik habe lange nicht auf Nachfragen reagiert. Kurz nach der Pressekonferenz veröffentlichte die Kassenärztliche Bundesvereinigung ein von der Gematik herausgegebenes umfangreiches Informationspaket zur Anbindung der Praxen an die TI. Der Konnektor ist sicher, heißt es hier. Praxen sollen bei ordnungsgemäßer Nutzung nicht für TI-Probleme haften, was auch für jegliche strafrechtliche Haftung des Arztes bei der Nutzung eines Konnektors gelte. Die Praxis müsse jedoch – wie schon bisher – spezielle Sicherheitsmaßnahmen wie Firewall und Virenschutz ergreifen, um sich vor Angriffen von außen zu schützen. Mitgeliefert wurde ein Muster-Installationsprotokoll für den sicheren TI-Anschluss. Dementsprechend sollen Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Apotheker und Krankenhaus-IT-Leiter die TI prüfen bzw. die Informationen vom Dienstleister vor Ort einfordern. Medical Tribune fragte bei Medi Geno nach, ob die Veröffentlichung die Klage-Vorhaben stoppt. „Nein, das beeinflusst unsere Pläne nicht“, lautete die Antwort. Zur TI-Anbindung »

Medi Geno will deshalb Musterklagen führen, wie Dr. Baumgärtner ankündigte. Die Krux aus seiner Sicht: Der Gesetzgeber zwingt mit Strafandrohung Ärzte zum Anschluss an die TI, obwohl erhebliche Bedenken zur Sicherheit der Patientendaten bestehen. Wer sich bis Ende Juni mit seiner Praxis nicht angedockt oder nicht zumindest einen Konnektor bestellt hat, dem wird das Honorar laut Gesetz um 1 % gekürzt (ab 2020 voraussichtlich um 2,5 %). Die Honorarbescheide hierzu werden im Juli erwartet. Ärzte sollen dagegen Widerspruch einlegen, rät Medi. „Falls der Widerspruch gegen den Honorarabzug zurückgewiesen wird – und davon gehen wir aus – werden die Musterkläger vermutlich im vierten Quartal 2019 Klage einreichen können“, erklärte Frank Hofmann, Vorstand der Medi Verbund AG, der Managementgesellschaft von Medi. Der Justiziar koordiniert die Musterklageverfahren, die sich sowohl gegen die Verantwortlichen für die TI-Zwangsinstallation als auch gegen diejenigen richten, die nicht korrekt installiert haben. Vor Gericht soll u.a. geklärt werden, wer zahlt, wenn eine angeschlossene Praxis gehackt wird. Medi-Chef Dr. Baumgärtner, der den TI-Anschluss seiner Praxis zwar nicht grundsätzlich, jedoch in der aktuellen Form verweigert, setzt auf die Software-Lösung anstelle des Konnektors. Er fordert auch das Aus für die zentrale Datenspeicherung. Außerdem müsse eine kostengüns­tige Anschlussvariante für die Ärzte gefunden werden, anstatt noch eine weitere Milliarde Euro in veraltete Technik zu investieren. Der Allge­meinarzt geht davon aus, dass in zwei bis drei Jahren die Kabellösung eh nicht mehr Standard für IT-Verbindungen sein wird.

Softwarelösung als Alternative zum unsicheren Konnektor

Alle Beteilig­ten fordern zudem, Penetrationstests durchführen zu dürfen. Diese gehörten standardmäßig zu den sechs Testmethoden bei der Sicherheitsprüfung von Software und seien in der ISO 27034-1 festgeschrieben. Eigene Tests der Ärzteschaft seien jedoch gesetzlich verboten. Dr. Silke Lüder, Vizevorsitzende der Freien Ärzteschaft, fordert Gesundheitsminister Jens Spahn auf, die Pläne zum „Digitale Versorgung Gesetz“ zu stoppen. Es sei an der Zeit, Konsequenzen aus den Pannen bei der TI zu ziehen. An vielen Stellen sei im geplanten Gesetz von Zwang und Sanktionen die Rede, der Druck auf die Ärzteschaft werde nochmals erhöht, kritisiert die Hamburger Ärztin.

Medical-Tribune-Bericht