COVID-19: DEGAM-Empfehlungen zum Umgang mit dem Coronavirus in der Arztpraxis

Autor: Kathrin Strobel

Mitarbeiter entlasten und Patienten schützen: Die DEGAM gibt Empfehlungen zum Umgang mit dem Coronavirus in der Arztpraxis. Mitarbeiter entlasten und Patienten schützen: Die DEGAM gibt Empfehlungen zum Umgang mit dem Coronavirus in der Arztpraxis. © iStock/TarikVision

Abstand von anderen Menschen halten, regelmäßig die Hände waschen, sich nicht ins Gesicht fassen – diese Regeln kennt in Deutschland inzwischen jeder. Welche zusätzlichen Maßnahmen Hausärzte in der Praxis ergreifen sollten, fasst eine aktuelle Leitlinie zusammen.

Noch steckt hinter den meisten derzeit in Deutschland grassierenden Atemwegsinfekten eine harmlose „Erkältung“ oder eine Influenza. Doch das neue Coronavirus SARS-CoV-2 breitet sich weiter aus und die Situation verändert sich stetig. Hierauf müssen sich Arztpraxen vorbereiten, entsprechende Sicherheitsvorkehrungen treffen und ihre Kapazitäten ressourcenschonend verteilen. Um die Pandemie-Ausbreitung zu verlangsamen, sollen gemäß RKI-Empfehlungen zudem die bestehenden Kapazitäten und Maßnahmen zur Erkennung und Isolation von Infizierten, zur Quarantäne von Kontaktpersonen, zur Kontaktreduktion allgemein sowie zum Schutz besonders vulnerabler Gruppen aktiviert bzw. intensiviert werden.

Sechs Optionen zur Entlastung und zum Schutz der Mitarbeiter und Patienten

  1. Behandeln Sie möglichst wenige Infektpatienten in der Praxis.
  2. Trennen Sie Infektpatienten räumlich und zeitlich von anderen Patienten (z.B. durch eine eigene Infektsprechstunde).
  3. Behandeln Sie Kinder (potenzielle Vektoren) möglichst nicht im Rahmen der Chroniker-Sprechstunde, sondern in einer eigenen.
  4. Reduzieren Sie unnötige persönliche Patientenkontakte (z.B. durch Postversand von Rezepten und Überweisungen oder Vereinbarung spezieller Abholzeiten, Telefon- und/oder Videosprechstunden, Verschieben nicht zwingend notwendiger Termine wie Patientenschulungen oder Screenings).
  5. Reduzieren Sie Hausbesuche sowie Besuche in Krankenhäusern und Pflegeheimen auf die zwingend notwendigen Fälle. In Krankenhäusern, Pflegeheimen etc. sind Handschuhe und Maske (sowie der regelmäßige Wechsel der Schutzausrüstung) Pflicht.
  6. Falls noch Impfstoff vorhanden ist: Erwägen Sie, bislang ungeimpfte Risikopatienten gegen Influenza und Pneumokokken zu impfen.

Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) hat nun entsprechende Empfehlungen veröffentlicht. Um Kontakte mit möglichen Virusträgern auf ein absolutes Minimum zu beschränken, ist es zuallererst notwendig, die Patienten anzuweisen, im Falle eines akuten Atemwegsinfekts nicht direkt in die Praxis zu kommen. Gleiches gilt für besorgte Patienten. Diese sollten zu Hause bleiben und sich zunächst per Telefon, Fax oder Mail beim Hausarzt, Gesundheitsamt, ärztlichen Bereitschaftsdienst oder ggf. einer zentralen Teststation melden. In diesem Zuge ist zu klären, ob ein begründeter Verdachtsfall vorliegt: Hatte der Patient kürzlich mit einem bestätigten COVID-19-Fall Kontakt? Gibt es Hinweise auf eine virale Pneumonie und einen Zusammenhang mit einer Häufung von Pneumonien in Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern? In diesen Fällen muss das Gesundheitsamt informiert werden und der Patient sollte getestet werden. Eine Testung kann aber auch bei schwer Erkrankten sinnvoll sein, die eine ambulante Behandlung benötigen, bei Risikopatienten sowie bei medizinischem Personal. Die DEGAM weist allerdings darauf hin, dass Ressourcen wie Abstrichmaterialien geschont werden müssen, um die Versorgung von schwer Erkrankten aufrechterhalten zu können. „Bei weiter ansteigenden Fallzahlen wird es in vielen Regionen logistisch nicht mehr möglich sein, alle Menschen mit ‚begründetem Verdacht‘ einer Testung zu unterziehen“, heißt es in der S1-Handlungsempfehlung.

Diese Faktoren gehen mit einem erhöhten Komplikationsrisiko einher

  • Hypertonie (!)
  • Diabetes mellitus
  • kardiovaskuläre Erkrankungen
  • COPD bzw. Rauchen
  • Immunsuppression
  • Alter > 60 Jahre (moderater Risikofaktor)
  • ggf. Einnahme von ACE-Hemmern, Sartanen, Glitazonen oder Ibuprofen (Absetzen der Substanzen im Falle einer Erkrankung bislang nicht empfohlen)

Wer nur leichte Symptome aufweist und (vorerst) nicht getestet wird, sollte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für ein bis zwei Wochen erhalten – diese kann auch telefonisch ausgestellt und dann per Post versendet werden. Während dieser Zeit gilt für den Patienten:
  • zu Hause bleiben
  • soziale Kontakte minimieren
  • erneut telefonisch vorstellen, wenn sich der Zustand verschlechtert
Patienten in der Praxis, die auch nur geringste Zeichen eines Atemwegsinfekts aufweisen, sollten noch am Tresen einen Mund-Nasen-Schutz erhalten und anlegen. Für MFA und Ärzte gilt: FFP2-/FFP3-Maske, Schutzkittel, Handschuhe und ggf. Schutzbrille anziehen! Hat der Patient nur leichte Beschwerden, sollte er ohne Testung wieder heimgeschickt werden. Alles Weitere kann telefonisch besprochen werden. Ist eine sofortige Versorgung notwendig, so sollte das in einem separaten Behandlungsraum oder in einem Bereich außerhalb der Praxis geschehen. In diesem Zuge sollte man die Kontakt- und Reiseanamnese sowie Risikofaktoren wie Vorerkrankungen erheben. Schwerkranke sollen ohne Testung ins Krankenhaus eingewiesen werden. Die DEGAM rät dazu, Testungen wann immer möglich nicht in der Praxis anzubieten, sondern auf die regionalen Teststationen auszulagern. Als Alternative bietet sich ein Selbsttest an, bei dem der Patient den Rachenabstrich selbst durchführt.

So schätzen Sie den Schweregrad einer Pneumonie mittels CRB-65-Index ab

Der CRB-65-Index bildet einen klinischen Score über die statistische Wahrscheinlichkeit, an einer ambulant erworbenen Pneumonie zu versterben. Die Kriterien:
  • Verwirrtheit, Desorientierung
  • Atemfrequenz ≥ 30/min
  • diastolischer Blutdruck ≤ 60 mmHg oder systolischer Blutdruck < 90 mmHg
  • Alter ≥ 65 Jahre
Trifft eines der Kriterien zu, sollte eine stationäre Aufnahme erwogen werden, ab zwei Punkten ist sie obligat. Eine vorherige Testung wird nicht empfohlen.

Es empfiehlt sich, die Praxisbesucher bereits vor Betreten des Hauses z.B. mit einem Schild oder Aushang darauf hinzuweisen, dass in der Praxis keine Testungen vorgenommen werden. Erst wenn diese Optionen nicht infrage kommen, soll der Rachen- und Nasenabstrich in der Praxis durchgeführt werden. Dazu müssen Ärzte jedoch über ausreichende Schutzausrüstung für sich selbst und ihre Angestellten verfügen. Alle ärztlich angeordneten Tests werden ohne Prüfung erstattet, heißt es vonseiten der DEGAM. Übrigens: Kommt medizinisches Personal unter Einhaltung der üblichen Hygienestandards mit einem Verdachtsfall in Kontakt, ist im Regelfall weder eine Quarantäne noch eine Testung notwendig. Um das Personal jedoch nicht unnötig zu gefährden, empfiehlt die Gesellschaft, Schilder mit Verhaltensregeln in der Praxis aufzuhängen. Auf diesen werden die Patienten beispielsweise darum gebeten, beim Kontakt mit MFA und Ärzten sowie vom Empfangstresen einen Mindestabstand von zwei Metern einzuhalten, die Nies- und Hustenetikette zu befolgen und sich beim Betreten und Verlassen der Praxis die Hände zu waschen bzw. zu desinfizieren. Weisen Praxismitarbeiter Atemwegssymptome auf, sind Testung und Herausnahme aus der Versorgung erforderlich – zumindest, solange kein relevanter Personalmangel besteht.

Quelle: DEGAM S1-Handlungsempfehlung Neues Coronavirus – Informationen für die hausärztliche Praxis, AWMF-Register-Nr. 053-054, www.awmf.org (Stand: 27.03.2020)

ursprünglich erschienen am 26.03.2020; aktualisiert am 31.03.2020