Coronavirus: Quarantäne-Empfehlungen des RKI könnten Versorgung gefährden

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

Offenbar weichen schon jetzt einige Krankenhäuser von den Quarantäne-Empfehlungen des RKI ab. Offenbar weichen schon jetzt einige Krankenhäuser von den Quarantäne-Empfehlungen des RKI ab. © marog-pixcells – stock.adobe.com

Angestellte im Gesundheitswesen können leicht in Kontakt mit Personen kommen, die mit SARS-CoV-2, dem neuartigen Coronavirus, infiziert sind. Für sie gelten daher besondere Quarantäne-Empfehlungen. Laut der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin sind diese Regelungen nicht praktikabel. Sie würden bei strikter Beachtung zu einem Kollaps der Gesundheitsversorgung führen.

Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt, medizinisches Personal sollte in häusliche Quarantäne gehen, wenn es bei  Untersuchung oder Pflege eines bestätigten COVID-19-Falls eine Distanz von zwei Metern unterschritten hat und dabei keine Schutzausrüstung trug. Die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) fordert eine Änderung dieser Regelung.

Zu viele Krankenhaus-Angestellte müssten in Quarantäne

Die Fachgesellschaft weist darauf hin, dass Mitarbeitende in der Notaufnahme im Laufe eines Tages mit vielen Kollegen in Kontakt kommen. Stelle sich heraus, dass einer der Mitarbeitenden mit SARS-CoV-2 infiziert ist, müssten auch alle Kontaktpersonen in Quarantäne gehen. „Die Empfehlung des RKI würde damit unmittelbar wesentliche Versorgungsbereiche eines Krankenhauses stilllegen“, gibt Professor Dr. Stefan John, Präsident der DGIIN, zu bedenken. Es drohe daher eine Unterversorgung im Gesundheitssystem, durch die Menschen mit schwerwiegenden Erkrankungen nicht mehr ausreichend versorgt werden könnten. Laut Prof. John weichen daher schon jetzt einige Krankenhäuser in Abstimmung mit den lokalen Gesundheitsbehörden von der Empfehlung des RKI ab.

Kontaktpersonen der Kategorie I mit engem Kontakt ("höheres" Infektionsrisiko) nach RKI

  • Personen mit kumulativ mindestens 15-minütigem Gesichts- ("face-to-face") Kontakt, z.B. im Rahmen eines Gesprächs. Dazu gehören z.B. Personen aus Lebensgemeinschaften im selben Haushalt.
  • Personen mit direktem Kontakt zu Sekreten oder Körperflüssigkeiten, insbesondere zu respiratorischen Sekreten eines bestätigten COVID-19-Falls, wie z.B. Küssen, Kontakt zu Erbrochenem, Mund-zu-Mund Beatmung, Anhusten, Anniesen, etc.
  • Medizinisches Personal mit Kontakt zum bestätigten COVID-19-Fall im Rahmen von Pflege oder medizinischer Untersuchung (≤ 2m), ohne verwendete Schutzausrüstung.
  • Kontaktpersonen eines bestätigten COVID-19-Falles im Flugzeug:
    • Passagiere, die in derselben Reihe wie der bestätigte COVID-19-Fall oder in den zwei Reihen vor oder hinter diesem gesessen hatten, unabhängig von der Flugdauer.
    • Crew-Mitglieder oder andere Passagiere, sofern eines der anderen Kriterien zutrifft (z.B. längeres Gespräch; o.ä.).
    • Unter dem Ziel einer frühzeitigen Identifizierung infizierter Kontaktpersonen wird – abhängig von der Verfügbarkeit entsprechender Daten - empfohlen, eine Kontaktpersonennachverfolgung zu initiieren, wenn der Flug innerhalb der letzten 28 Tage stattgefunden hat (2 x maximale Dauer der Inkubationszeit).

Quelle: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html

Die DGIIN schlägt eine Änderung der Empfehlung vor, die es asymptomatischen Kontaktpersonen ermöglichen soll, unter klar geregeltem Schutz und Überwachungsmaßnahmen weiterhin an der Patientenversorgung teilzunehmen. So soll medizinisches Personal, das der Kategorie I des RKI entspricht (siehe Kasten) unverzüglich auf SARS-CoV-2 getestet werden. Sofern es keine Symptome oder sonstige Anzeichen einer Infektion gebe, könnten die Betroffenen mit einem Mund-Nasen-Schutz weiterarbeiten, bis ein negatives Testergebnis vorliege. Außerdem sollten sie laut DGIIN zweimal täglich Fieber messen und ein Gesundheitstagebuch führen, in dem sie ihr allgemeines Befinden dokumentieren. Im häuslichen Umfeld seien Hygienemaßnahmen einzuhalten, auf den Besuch größerer öffentlicher Veranstaltungen sei zu verzichten. Zudem wünscht sich die Fachgesellschaft, dass die Kontaktpersonen alle zwei bis drei Tage erneut auf das Virus getestet werden. Sobald das Virus bei einer Person nachgewiesen sei, müsse eine häusliche Quarantäne erfolgen. Dies solle auch für Kontaktpersonen gelten, die plötzlich Symptome zeigen.