Corona-Krise: Helfer und Einrichtungen finden noch nicht gut zusammen

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Für Tests auf das Coronavirus – wie hier im Drive-In in Baden-Württemberg – werden Mediziner benötigt. Für Tests auf das Coronavirus – wie hier im Drive-In in Baden-Württemberg – werden Mediziner benötigt. © Jürgen Fälchle – stock.adobe.com

Neue Stationen, neue Versorgungseinrichtungen. Mit großem Eifer bereiten sich Kliniken und Kommunen auf viele intensivmedizinisch zu betreuende COVID-19-Patienten vor. Bei der Personalsuche läuft aber einiges nicht rund.

„Das Robert Koch-Institut hat 500 Stellen für Unterstützungspersonal im Krisenmanagement geschaffen und sucht vor allem Studentinnen und Studenten“, meldete das Bundesgesundheitsministerium am 23. März. Kurz danach ließ es auf Twitter verlauten: „Das @rki_de hat 10 000 Bewerbungen erhalten. Danke, dass so viele mithelfen wollen. Wenn neue Stellen geschaffen werden, finden Sie diese beim Robert Koch-Institut und bei uns.“

Geht man auf die Bewerbungswebseite beim Bundesverwaltungsamt, wird klargestellt, dass bei dem immensen Bewerbungsaufkommen keine weiteren Bewerbungen berücksichtigt werden können. „Wir bitten um Verständnis.“

Der Bedarf an medizinischem Personal ist riesig

Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt hatte am 20. März in einem Videoappell Ärzte im Ruhestand und Medizinstudierende zur Mithilfe im Kampf gegen die Corona-Pandemie aufgerufen: „Wir sind für jede helfende Hand dankbar.“

Auch regional werden Mitstreiter gesucht. Beispielsweise hält die KV Hessen Ausschau nach Ärzten und Personal, das auf freiwilliger Basis für Testzentren arbeitet. Und die Berliner Krankenhausgesellschaft hat sich „an alle Berlinerinnen und Berliner mit medizinischer Ausbildung“ gewandt und um Unterstützung gebeten, um den hohen Bedarf an Fachkräften für die Versorgung von COVID-19-Patienten in den Kliniken zu gewährleisten. In Sachsen könnten Ärzte im Ruhestand eine telefonische Beratung risikolos übernehmen. Und Medizinstudenten nach dem Physikum seien sehr gut geeignet, um Ärzte und Gesundheitsämter bei Abstrichen und der Ermittlung von Kontaktpersonen zu unterstützen, schreibt die Sächsische Landesärztekammer.

Theoretisch ist also alles klar. Der Bedarf ist da bzw. wird da sein. Aber praktisch scheint es nicht überall zu gelingen, entsprechendes Personal für den Ernstfall einzubinden.

Neue Plattform bringt Helfer an den richtigen Ort

Bei der Vermittlung medizinischen Personals in der Coronakrise hilft das Online-Angebot „match4healthcare”. Die Bundesärztekammer ist Kooperationspartner. Die Plattform soll zur zentralen Anlaufstelle für Medizinstudierende und Auszubildende in Gesundheitsfachberufen werden. Mithilfe eines automatischen Matching-Algorithmus wird berufsgruppenübergreifend und bundesweit einheitlich das Angebot der Helfenden mit dem Bedarf der Hilfesuchenden (Klinik, Arztpraxis, Rettungsdienst, Pflegedienst, Pflegeheim, Apotheke oder Gesundheitsamt) vernetzt. Konzipiert und entwickelt wurde das Tool innerhalb von 48 Stunden im Zuge des Massen-Hackathons „Wir vs. Virus“ der Bundesregierung – kurz bevor die Plattform am 26. März ans Netz ging.

Dr. Sabine Schulze hat vor zehn Jahren ihr Institut für medizinische Gutachten gegründet. Zahlreiche Ärzte verschiedener Fachrichtungen sind hier angestellt bzw. als Honorarkräfte tätig. Auch Pflegekräfte und Büromitarbeiter gehören zum Team. Nach dem Ausbleiben von Aufträgen aufgrund der Corona-Krise hat die Allgemeinmedizinerin das Unternehmen für unbestimmte Zeit geschlossen und Kurzarbeit für die Kollegen beantragt. „Viele der Mitarbeiter wollen aber, statt in die Zwangspause zu gehen, lieber die Versorgung von Corona-Infizierten bzw. COVID-19-Patienten unterstützen“, so die Ärztin. Schließlich werde seit Jahren auf Versorgungsengpässe aufmerksam gemacht, die sich jetzt mit Sicherheit noch verschärften.

Zu viele Angebote, um schnell reagieren zu können?

Die willigen Kollegen decken diverse Fachgebiete ab, u.a. Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Psychiatrie/Neurologie, Chirurgie. Dr. Schulze hat wie einige ihrer Mitarbeiter auf Intensivstationen gearbeitet. „Wir sind aber schon einige Zeit raus, deshalb wäre es gut, wenn wir uns vor dem großen Ansturm noch einarbeiten lassen könnten“, sagt sie. Geschäftsführer Eik Schulze hat bereits Mitte März diverse E-Mails verschickt, in denen er die Hilfe des Instituts anbot, über einen Lösungsweg, „der unbürokratisch und praktikabel ist“. Adressaten waren die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, das Bundesgesundheitsministerium, die KV Berlin, hauptstädtische Gesundheitsämter sowie ca. 25 Krankenhäuser. „Ich habe mich bei den Einrichtungen gemeldet, teilweise mehrfach per E-Mail und per Telefon“, so der Geschäftsführer. Überwiegend habe er keine Rückmeldung erhalten. Ein großes Krankenhaus habe angeboten, die Kollegen bei sich anzustellen. Er solle die Unterlagen schicken. „Das sind aber unsere Mitarbeiter und wir wollen sie auch behalten“, empört sich Schulze. Ein anderes großes Krankenhaus forderte ihn auf, seine nervenden Nachfragen umgehend einzustellen. Die Antwort der Senatsverwaltung lautete: „Momentan bekommen wir, wie Sie sich sicher denken können, eine Menge Angebote zugesandt, die wir prüfen werden. Bitte haben Sie etwas Geduld, wenn wir nicht gleich darauf reagieren können.“

Kammerchef: Bald wird jede verfügbare Kraft gebraucht

Ähnliche Erfahrungen hat der Anästhesiologe Jan-Peter Jansen gemacht. Der Leiter des Schmerzzen­trums Berlin und Ärztliche Direktor der angeschlossenen Schmerzklinik Berlin berichtet Medical Tribune: „Die Klinik steht jetzt leer. Wir haben uns verhalten wie vom Senat empfohlen und uns dem Pandemie-Stab als Reserve gemeldet. Aber wir sind nicht im Entschädigungsplan, wir sind im Blindflug.“ Verstehen kann man dies allerdings nicht, denn laut Berliner KV sind die Intensiv- und Beatmungskapazitäten in der Hauptstadt bereits überbelegt und weitere werden gebraucht.

So läuft Personaleinsatz à la Bundeswehr in der Krise

Laut Patrick Sensburg, Bundestagsabgeordneter und Präsident des Reservistenverbandes der Bundeswehr, haben viele ehemalige Soldaten eine medizinische bzw. sanitätsdienstliche Ausbildung. Sie seien zwar jetzt in anderen Berufen tätig, könnten aber „unterstützen, fehlende Kapazitäten auffangen und verstärken, um die Krise zu meistern“. Der Verband ruft zurzeit nach Reservisten, die über eine Ausbildung als Pflegefachkraft Intensivpflege, Krankenpfleger/in, Notfallsanitäter/in, Medizinisch-technische/r Laborassistent/in oder Pharmazeutisch-technische Assistent/in verfügen. Interessenten können sich beim Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr melden. Dazu müssen sie lediglich ein Formular im Excel-Format ausfüllen. Anzugeben sind Name und Kontaktdaten, Einsatzort und -zeitraum sowie die Qualifikation. Entscheidungen über den Einsatz werden im Corona-Lagezentrum für den Organisationsbereich Personal gefällt. Auf der Webseite des Reservistenverbandes sind bisherige Einsätze aufgelistet, darunter Hilfen in Krankenhäusern. Tatkräftig unterstützt wird auch beim Errichten von Intensivstationen und Notkrankenhäusern. Bis 25. März lagen weitere 140 Hilfeersuchen vor.

Etwa 160 Ärzte haben sich inzwischen bei der Berliner Ärztekammer gemeldet, um zu helfen. Kammerpräsident Dr. Günther Jonitz erklärte gegenüber dem Radiosender rbb, er rechne mit noch mehr Offerten. Es gebe auch Angebote von Kollegen aus Praxen, die aufgrund freier Valenzen – „woher und wodurch auch immer“ – helfen wollten. Allerdings bestehe zwischen dem Wunsch, Corona-Patienten zu versorgen, und dem Schutz für sich selbst und die eigenen Praxispatienten ein Konflikt, so Dr. Jonitz. Müsse ein Arzt mit 500 oder 800 Patienten die Praxis schließen, weil er sich im Krankenhaus infiziert habe, dann sei das ein Dilemma. Der Kammerchef rechnet damit, dass in Kürze jede verfügbare Kraft benötigt wird. Das Problem sei jedoch, „dass wir auf der politischen Ebene leider keine Stelle haben, die uns sagen kann, in welchen Häusern, in welchen Einrichtungen welche Ärzte gebraucht werden und auf welche Bedingungen die da stoßen“. Hier müsse organisatorisch nachgebessert werden. Benötigt würden Ärzte in Kliniken, Pflegeheimen und Palliativeinrichtungen. Dr. Jonitz wünscht sich für Berlin eine konzertierte Aktion der politisch und konkret verantwortlichen Akteure, so wie z.B. in Hamburg.

Medical-Tribune-Bericht