NSCLC: „Die Gentest-Raten sind schlichtweg inakzeptabel“

Friederike Klein

Nur wer sequenziert, kann das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom gezielt behandeln. Nur wer sequenziert, kann das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom gezielt behandeln. © iStock/Nobi_Prizue

Für etwa die Hälfte der nicht-kleinzelligen Lungentumoren gibt es bereits zielgerichtete Behandlungsmöglichkeiten. Um die therapierbare Mutation zu identifizieren, wird auch das Next Generation Sequencing genutzt. Mit dem nationalen Netzwerk Genomische Medizin (nNGM) soll dieses bundesweit verfügbar werden.

Die systemische Therapie des fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) wird zunehmend molekular gesteuert. Zugelassen sind bereits Präparate, die sich gegen EGFR-, ALK-, ROS1- und BRAF-Alterationen richten. Viele weitere zielgerichtete Therapien stehen in Studien oder off label zur Verfügung, sodass schon jedem zweiten Patienten solch eine Behandlung angeboten werden kann, betonte Professor Dr. Jürgen Wolf, Centrum für Integrierte Onkologie der Universitätsklinik Köln (Tabelle). Er nannte die auf Next Generation Sequencing (NGS) basierende Diagnostik alternativlos.

Therapierbare Mutationen bei nicht-kleinzelligen Lungentumoren*
Gen
Alteration
Häufigkeit bei NSCLC
Präparat
EGFRaktivierende Mutation10 %Erlotiniba, Gefitiniba, Afatiniba, Osimertiniba
ALKFusion3 %Crizotiniba, Alectiniba, Ceritiniba, Lorlatiniba
ROS 1Fusion1 %Crizotiniba, Lorlatinibb, Cabozantinibb, Repotrectinibc
BRAFV600Mutation2 %Dabrafeniba + Trametiniba
NTRK 1-3Fusion< 1 % (?)Larotrectiniba (USA), Entrectinibc
METAmplifikation (GCN > 6)2%Crizotinibb, Capmatinibc, Tepotinibc, Savolitinibc
METExon 14 skipping2 %
METFusion< 1 %
RETFusion1 %LOXO-292c, Blu-667c
NRG1Fusion< 1 %Afatinibb
HER2Mutation1–2 %Trastuzumabb, Pertuzumabb, T-DM1b
EGFRExon 20 Insertion2 %Poziotinibc, TAK788c
FGFR 1-3Fusionen, Mutationen2%Erdafitinibc, BGJ398c
KRASMutation20 %AMG 510 (G12C)c

a: In dieser Indikation zugelassen

b: In einer anderen Indikation zugelassen

c: Nicht zugelassen, Anwendung in klinischen Studien

* Wolf J. DGHO-Jahrestagung 2019

Schon früh verdeutlichten Registerdaten, dass die personalisierte Therapie beim NSCLC das Überleben verlängern kann. Doch um diese zu ermöglichen, muss erst einmal auf die Mutationen getestet werden, betonte der Referent. Und da sieht die Realität in Deutschland noch anders aus: Im ersten Halbjahr 2018 wurden nur drei Viertel der Patienten mit nicht-plattenepithelialem NSCLC auf eine EGFR-Alteration untersucht. Einen Test auf eine BRAFV600-Mutation erhielten nur etwas mehr als die Hälfte, erklärte Prof. Wolf.

Klinik und Forschung müssen zusammenarbeiten

Der Experte sieht in der dezentralen Versorgung von Lungenkrebspatienten durch etwa 1700 Krankenhäuser und 600 onkologische Praxen einen Grund dafür. „Das ist ein Versagen der Qualitätssicherung“, glaubt er und bezeichnete die Gentest-Raten als schlichtweg inakzeptabel. Trotz eines leistungsfähigen Gesundheitssystems bestehen seiner Meinung nach erhebliche Defizite beim Innovationstransfer. Deshalb müssen klinische Routine und klinische bzw. translationale Forschung integriert werden, lautet sein Fazit.

Netzwerk Genomische Medizin ist erfolgreich

Dazu schlägt der Referent eine bessere Arbeitsteilung vor: In den onkologischen Spitzenzentren werden die molekulare Diagnostik mit NGS und anderen modernen Verfahren vorgehalten, molekulare Tumorboards angeboten, Therapieempfehlungen gegeben und translationale Forschung sowie Datenbanken integriert. Die Behandlung erfolgt heimatnah durch Krankenhäuser und Praxen. Dass das funktioniert, habe das 2010 gegründete Kölner Netzwerk Genomische Medizin vorgemacht. Zentral wurden Proben von etwa 5000 deutschen Lungenkrebspatienten per NGS getestet. Das sind etwa 10 % aller deutschen Betroffenen aus etwa 300 zuweisenden Zentren, erklärte Prof. Wolf. Die Zuweiser erhielten basierend auf den Ergebnissen Therapieempfehlungen. Außerdem konnte ein Programm mit frühen klinischen Studien aufgelegt werden. Die Kosten wurden ab 2014 über integrierte Versorgungsverträge von immer mehr Krankenversicherungen der Region übernommen.

Deutsche Krebshilfe unterstützt Ausweitung

Jetzt wird das Projekt bundesweit als nationales Netzwerk (nNGM) ausgeweitet, erläuterte der Experte. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Projekt mit seinen Strukturen von April 2018 bis Ende März 2021 in der Erwartung, dass die Krankenkassen bei der Finanzierung der Patientenversorgung (Testung, Beratung, Dokumentation des Verlaufs) mitziehen werden. Aktuell decken Kooperationskassen die NGS-Testung zu 63 % ab, weitere Verhandlungen mit Kostenträgern laufen, erläuterte Prof. Wolf.

Wer gehört zum nNGM?

Am nNGM beteiligt sind die von der Deutschen Krebshilfe unterstützten 15 onkologischen Spitzenzentren in Berlin, Dresden, Düsseldorf, Erlangen, Essen, Frankfurt, Freiburg, Hamburg, Heidelberg, Köln/Bonn, Mainz, München, Tübingen-Stuttgart, Ulm und Würzburg. Maßgeblich für den Erfolg wird aber der Aufbau regionaler Netzwerke sein, ist sich Prof. Wolf im Klaren. Aktuell seien 140 Krankenhäuser sowie 70 Praxen als Partner integriert und zwei neue Zentrenwaren im Auswahlverfahren erfolgreich: Marburg/Gießen und das Helios-Klinikum in Berlin.

Quelle: DGHO-Jahrestagung 2019

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Nur wer sequenziert, kann das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom gezielt behandeln. Nur wer sequenziert, kann das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom gezielt behandeln. © iStock/Nobi_Prizue