NSCLC: Direkte intratumorale Wirkstoffgabe könnte Erfolge verbessern

Dr. Elke Ruchalla

Warum die Wirkstoffe nicht direkt dort verabreichen, wo sie hingehören, nämlich in den Tumor? Warum die Wirkstoffe nicht direkt dort verabreichen, wo sie hingehören, nämlich in den Tumor? © iStock/Spectral-Design

Den Tumor nicht mehr systemisch behandeln, sondern Zytostatikum, Checkpoint-Inhibitor oder Adenovirus-Vektoren direkt ins Bronchialkarzinom applizieren: Beim Nicht-Kleinzeller werden solche lokalen Therapiestrategien derzeit geprüft.

Das vergangene Jahrzehnt hat erhebliche Fortschritte in der Behandlung des nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC) gebracht, nicht zuletzt durch die Entwicklung der Checkpoint-Inhibitoren. Doch auf sie spricht nur etwa jeder fünfte Erkrankte an. Außerdem besteht bei ihnen das spezielle Risiko von teils deletären immunologisch bedingten Nebenwirkungen. Dazu trägt auch die sys­temische Applikation bei.

Injektionskontrolle auch via Sonographie

Warum die Wirkstoffe nicht direkt dort verabreichen, wo sie hingehören, nämlich in den Tumor? Diese Applikation hat schließlich schon bei anderen Krebsformen, z.B. Melanomen, gute Erfolge gezeigt. Der Ansatz rückt nun, alleine und in Kombination mit herkömmlicheren Behandlungswegen, beim NSCLC ebenfalls in den Blickpunkt, erklären Dr. Andrew DeMaio und Professor Dr. Daniel Steman vom Pulmonary Oncology Research Team der Langone Health/Grossman School of Medicine der New York University.

Der Tumor in seinem Zuhause

Ein Tumor besteht nicht ausschließlich aus malignen Zellen – zu ihm gehören auch Fibroblasten, Gefäßendothelzellen und infiltrierende Immunzellen des Patienten. Das Wechselspiel von Tumor- und Wirtsfaktoren kann letztlich ein immunsuppressiv wirkendes „Mikroklima“ schaffen. Dabei bilden etwa Fibroblasten eine Bindegewebekapsel, die das Immunsystem behindert. Außerdem setzen die beteiligten Zellen Zytokine und Interleukine frei, die die bösartigen Zellen erst so richtig zum Wachsen anregen. Und schließlich sorgen die Tumorzellen dafür, dass mehr Checkpoint-Moleküle zur Schwächung der Immunreaktion gebildet werden.

Dafür verwenden die Endoskopiker transbronchiale Nadeln mit einem Außendurchmesser von 18–25 Gauge, die durch den Arbeitskanal des flexiblen Bronchoskops passen. Die direkte Injektion in den Tumor funktioniert schon mit der klassischen Video-Bronchoskopie. Immer häufiger nutzen Ärzte zur Sichtkontrolle aber auch die endo­bronchiale Sonographie, bei der eine dünne Ultraschallsonde in die Spitze des Bronchoskops integriert ist. Damit können die Behandler die Injektion in den Lungenherd besser kontrollieren und eine versehentliche Injektion in Blutgefäße oder mediastinale Strukturen vermeiden. Als besonders hilfreich hat sich die Methode bei Rezidiven in vorbestrahlten Bereichen und zur gezielten Therapie von Lymphknotenmetastasen erwiesen. Weit peripher gelegene Herde erreicht man damit allerdings (noch) nicht. Hersteller versuchen derzeit, spezielle, noch dünnere Systeme zu entwickeln, teils als Kombi mit Ballonkathetern. Mit Letzteren könnten Bronchoskopiker zunächst stenosierte Atemwege aufdehnen und in der gleichen Endoskopiesitzung dann über eine Mikronadel (34 G) Wirkstoffe in den Tumor injizieren. Die Vorteile der direkten lokalen Behandlung scheinen offensichtlich: Zunächst erreichen wesentlich höhere Wirkstoffkonzentrationen den Tumor. Studien legen nahe, dass bis zu 30-mal höhere Dosen möglich sind. Außerdem verbleibt die injizierte Substanz länger vor Ort und wird nicht sofort wieder ausgewaschen. Darüber hinaus führen die geringeren systemischen Konzentrationen vermutlich zu geringeren allgemeinen Nebenwirkungen.

Drainierende Lymphknoten gleich mit versorgen

Eine weitere denkbare Entwicklung wäre die Verpackung der Medikamente in Liposomen oder Mikrosphären, die eine retardierte Freisetzung ermöglichen. Mit Zytostatika funktioniert das (Beispiel liposomales Doxorubicin), wie es mit Immuntherapien klappt, bleibt herauszufinden. Rein theoretisch wäre auch das genaue Gegenteil der gewünschten Wirkung denkbar, nämlich die Induktion einer Immuntoleranz gegenüber dem Tumorgewebe. Schließlich kommt bei diesen hohen lokalen Wirkstoffspiegeln im Tumor eventuell mehr von den Substanzen in den ersten drainierenden Lymphknotenstationen an. Dort könnten sie sich gegen Mikrometastasen richten und evtl. eine Fernmetastasierung einschränken.

Drei therapeutische Ansätze jenseits von Zytostatika

In zahlreichen Studien untersuchen Forschergruppen derzeit, welche Ansätze sich neben der Zytostatikagabe am besten für die direkte intratumorale Behandlung eignen. Zu diesen gehören vor allem:
  • Genetische Therapien: Die Injektion eines Adenovirus-Vektors, der das Tumorsuppressorgen p53 enthält, kommt bei Karzinomen zum Einsatz, deren eigenes p53 entweder fehlt oder eine Mutation aufweist. Bis jetzt halten sich die Erfolge in Grenzen, denn nur ein Bruchteil der Tumorzellen expromiert das Transgen. Zudem fand sich kein relevanter Bystander-Effekt, d.h. eine antitumoröse Wirkung von nicht-transduzierten Zellen.
  • Immunogene Therapien: Dem Patienten entnommene Immunzellen, meist dendritische, werden verändert, indem man bestimmte Gene einführt. Die so umgewandelten Zellen sollen im Tumor eine vermehrte Immunabwehr hervorrufen, etwa indem sie zytotoxische T-Zellen anlocken. Laut ersten Studien scheint das zu funktionieren. Die Kombination mit Checkpoint-Inhibitoren könnte die Wirkung weiter verbessern.
  • Immuntherapien: Zu ihnen gehört u.a. die Behandlung mit onkolytischen Viren. Diese zerstören selektiv Zellen des Tumors; bei der Lyse freigesetzte Moleküle stimulieren zusätzlich das Immunsystem des Kranken. Weiterhin könnten die viel zitierten CAR-T-Zellen* hier auch einen Auftritt haben: Es handelt sich um patienteneigene T-Zellen, die außerhalb des Körpers gentechnisch so verändert werden, dass sie tumorspezifische Antigenrezeptoren ausbilden. Beide Methoden könnten zusammen mit den eingeführten Checkpoint-Hemmern zum Einsatz kommen, Studien dazu laufen.

Weitere Optionen in der Pipeline

Zahlreiche Arbeitsgruppen testen derzeit diese Ansätze und prüfen, inwieweit sie sich für die breite klinische Anwendung eignen. Dazu kommen mögliche weitere Entwicklungen wie die direkte Injektion von Anti-Tumor-Substanzen in ableitende Lymphknoten als intranodale Therapie und die Behandlung mit „Small interfering RNA“ (siTRNA), schreiben die New Yorker Wissenschaftler abschließend.

* chimäre Antigenrezeptor-T-Zellen

Quelle: DeMaio A, Sterman D. Eur Respir Rev 2020; 29: 200028; DOI: 10.1183/16000617.0028-2020

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Kann solch ein Lungenkarzinom künftig mittels lokaler Injektionen beseitigt werden? Kann solch ein Lungenkarzinom künftig mittels lokaler Injektionen beseitigt werden? © mauritius images/ BSIP SA/Alamy
Warum die Wirkstoffe nicht direkt dort verabreichen, wo sie hingehören, nämlich in den Tumor? Warum die Wirkstoffe nicht direkt dort verabreichen, wo sie hingehören, nämlich in den Tumor? © iStock/Spectral-Design