Coronaimpfung: Was ist bei Krebspatienten zu beachten?
Größeres Erkrankungsrisiko, schwerere Verläufe und häufiger auch tödlicher Ausgang – für Patienten, die eine Immunsuppression oder Chemotherapie erhalten, stellen auch impfpräventable Infektionen eine Gefahr dar. Trotzdem scheinen Krebspatienten bislang eher Impfmuffel gewesen zu sein. „Die Quoten waren in diesem Patientenkollektiv vor 2020 deutlich geringer als in der Allgemeinbevölkerung“, erklärte Professor Dr. Christina Rieger von der Ludwig-Maximilians-Universität München im Rahmen des diesjährigen DGIM-Kongresses. Mit Corona kommt nun offenbar Bewegung in die Sache. Seit Dezember 2020, so die Onkologin, habe die Impfbereitschaft auch unter den Tumorpatienten stark zugenommen.
Coronaimpfung und Abfolge der Krebstherapie richtig abstimmen
Dem Wunsch nach dem Pieks steht prinzipiell nichts im Weg – im Gegenteil: „Für die COVID-19-Impfung haben wir eine ganz klare Empfehlung mit einer hohen Priorisierung“, erinnerte die Referentin. Damit die Betroffenen im Impfzentrum trotz teilweise noch knapper Vakzine vorrangig einen Termin erhalten, stellt man am besten ein Impfattest aus. Dafür stehen zwei Formulare zur Verfügung – das der DKG und das der DGHO. Beide erfüllen laut Prof. Rieger ihren Zweck gleichermaßen.
Zusätzlich seien natürlich die Anamnese- und Aufklärungsbögen nötig, ergänzte sie. Dabei gibt es jeweils eine Variante für mRNA- und für Vektor-Vakzine. Wichtig für Patienten mit einer chronischen oder Tumorerkrankung sei der Eintrag bei Frage 5 im Anamnesebogen. Hier sei die Immunschwäche bzw. die zytoreduktive Therapie oder Tumorerkrankung anzugeben. „Diese Information zusammen mit dem Impfattest führt dann zur Priorisierung in den Impfzentren.“
Zudem darf man sich die COVID-19-Impfung nicht durch andere Impfungen „verbauen“, wie Prof. Rieger betonte. Denn hier muss ein Abstand von 14 Tagen eingehalten werden. Wer also auf seinen „Corona-Shot“ wartet, aber gleichzeitig zum Beispiel auch eine FSME-Immunisierung benötigt, dem rät die Kollegin, „die Zecken Zecken sein zu lassen“.
Fragt sich, wie man die Impfung am besten in die Therapieabfolge einpasst. Die momentan zugelassenen und verfügbaren mRNA- und Vektor-Vakzinen gegen SARS-CoV-2 gehören zu den Totimpfstoffen – und die kann man nach Aussage der Spezialistin auch bei Patienten mit Immunsuppression oder Chemotherapie grundsätzlich einsetzen. Auch unter Checkpoint-Inhibitor-Therapie könne man sicher immunisieren. „Die Wirksamkeit der Impfstoffe kann aber abhängig von der Tumortherapie eingeschränkt sein.“
Bei Lebendimpfungen sollte man dagegen vorsichtiger sein. Als Daumenregel, auch für Auffrischungen, gilt: Bis sechs Monate nach dem definitiven Abschluss einer Immunsuppression keine Impfung. Sollte es dennoch unbedingt nötig sein, dann erfolgt eine enge Abstimmung zwischen dem behandelnden Onkologen und dem Arzt, der die Vakzinierung durchführt.
Professor Rieger rät, vor der Krebstherapieeinleitung den Impfstatus zu erfragen und am besten auch gegen COVID-19 zu impfen. Falls die Tumorerkrankung einen gewissen zeitlichen Verzug erlaube, könne man derzeit die Vakzinierung eventuell auch abwarten. Sie betonte aber: „In keinem Fall soll die notwendige Tumortherapie durch Abwarten auf Impfungen verzögert werden.“ Und: Auch Angehörige sollten sich immunisieren lassen.
Abstriche bei der Schutzwirkung müssen allerdings Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) machen, vor allem unter CD20-Antikörpertherapie. Einer aktuellen Auswertung zufolge, auf die Prof. Rieger kurz Bezug nahm, sprach nur die Hälfte der CLL-Patienten insgesamt auf eine mRNA-Impfung an, von den Erkrankten, die im Jahr vor der Impfung mit CD20-Antikörpern behandelt worden waren, sogar niemand. „Hier scheint es, dass Patienten keine messbaren Titer nach Gabe der mRNA-Impfstoffe aufbauen.“ Da sind wohl alle CD20-Antikörper gleich, wie die Expertin erklärte: „Die verbesserte Wirksamkeit der zweiten Generation spiegelt sich nicht in einer besseren Impfantwort wider.“
Wenn man immunisieren wolle, sollte der Abstand zur letzten Antikörpergabe mindestens drei, besser sechs Monate betragen, so der Rat der Expertin. Um einen Eindruck zu bekommen, ob die Impfung funktionieren könnte, könne man durchaus die Lymphozyten-Subpopulationen vorab messen.
Besser sieht es bei der CD20-Therapie möglicherweise aus, wenn sich der Behandelte zum Zeitpunkt der Impfung in Remission befindet. So empfiehlt die ESMO zum Beispiel für Patienten mit follikulärem oder mit Mantelzell-Lymphom, die in der Rituximab-Erhaltungstherapie sind, gegebenenfalls ein bis zwei Therapieintervalle zu pausieren – um einen Zeitraum zu schaffen, in dem sie eine Antikörperantwort auf die Impfung generieren können. Denn die B-Zellen, so Prof. Rieger, erholten sich tatsächlich ein bisschen. Allerdings seien das theoretische Überlegungen. „Wirkliche Daten dazu haben wir nicht.“
Am besten impft man also, wann immer möglich und gerade bei indolenten Lymphomen, vor Behandlungsbeginn. Ein Rat, der auch über die Corona-Pandemie hinaus für Infektionen wie Pneumokokken, Haemophilus influenzae und andere gilt.
Genauere Informationen zur Corona-Impfung bei Krebspatienten bieten zum Beispiel die DGHO-Empfehlungen „Coronavirus-Infektion (COVID-19) bei Patient*innen mit Blut- und Krebserkrankungen“ oder die „Empfehlung von Expert*innen zur COVID-19-Schutzimpfung für Krebspatient*innen“ der DKG.
Kongressbericht: 127. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 2021
Referent: Rieger C.