Rheumatoide Arthritis in der Hausarztpraxis diagnostizieren
Bei Gelenkbeschwerden ist zunächst zu klären, ob diese entzündlicher oder nicht-entzündlicher Genese sind. Typisch für die rheumatoide Arthritis (RA) sind artikuläre Schwellungen, die seit mehr als sechs Wochen anhalten. Ein weiteres Charakteristikum ist der symmetrische Befall überwiegend kleiner Gelenke, an der Hand vor allem MCP und PIP. Im Gegensatz zur Arthrose sind die Endgelenke (DIP*) nicht betroffen, erklärte Professorin Dr. Elisabeth Märker-Hermann von den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden.
Ein weiteres Gefahrensignal ist die länger als eine Stunde anhaltende Morgensteifigkeit. Bei der klinischen Untersuchung lässt sich eine „weiche“ Schwellung tasten. Statt einer Rötung findet sich eine eher livide Verfärbung. Die Sonographie zeigt eine Abhebung der Gelenkkapsel mit echoarmer Synovialitis und vermehrter Durchblutung im Power-Doppler.
Ein weiteres Warnsignal: Fast alle Patienten mit rheumatoider Arthritis weisen eine BSG- oder CRP-Erhöhung auf. Häufig besteht zudem eine Entzündungsanämie bzw. Hypergammaglobulinämie, gelegentlich auch eine unspezifische Erhöhung der antinukleären Antikörper (ANA). Hochspezifisch für die RA sind Antikörper gegen zyklische citrullinierte Peptide (CCP), auch ACPA** genannt. Einen wichtigen Hinweis auf diese Genese liefert zudem der Rheumafaktor (RF). Die Autoantikörper gegen ein verändertes Fc-Fragment des IgG lassen sich allerdings nicht bei allen RA-Patienten nachweisen. Fehlen sie, spricht man von einer seronegativen Arthritis. Außerdem ist der Rheumafaktor relativ unspezifisch. So sind mehr als 10 % der über 70-Jährigen RF-positiv. Zudem finden sich die Autoantikörper bei vielen anderen Erkrankungen – darunter rheumatische wie das Sjögren-Syndrom, aber auch Hepatitis, Tuberkulose und Lungenfibrose.
Die definitive Diagnose der rheumatoiden Arthritis gelingt selbst in einem sehr frühen Stadium oft schon anhand der bisher erhobenen Warnzeichen. In der Praxis haben sich die Kriterien der europäischen und amerikanischen Fachgesellschaften (ACR, EULAR) bewährt. Als Voraussetzung gilt bei dieser Klassifikation das Vorliegen einer Synovitis in mindestens einem Gelenk und der Ausschluss anderer Ursachen, die die Symptomatik besser erklären. Zusätzlich muss der Patient in einem Score (s. Tabelle) mindestens sechs von zehn Punkten in den folgenden vier Domänen erreichen:
- betroffene Gelenke (Zahl und Lage),
- serologische Veränderungen (RF, CCP-Antikörper),
- Akute-Phase-Proteine (BSG, CRP) und
- Dauer der Symptome
ACR/EULAR-Kriterien der rheumatoiden Arthritis | ||||
---|---|---|---|---|
Punkte | geschwollene schmerzhafte Gelenke | Serologie (Rheumafaktor, CCP-Antikörper) | Akutphase-Parameter (BSG und CRP) | Symptomdauer |
0 | ≥ 1 (mittel-) großes Gelenk | negativ | normal | < 6 Wochen |
1 | 2–10 (mittel-)große Gelenke | mindestens 1 erhöht | ab 6 Wochen | |
2 | 1–3 kleine Gelenke | mindestens 1 schwach positiv | ||
3 | 4–10 kleine Gelenke | mindestens 1 hochpositiv | ||
4 | ≥ 11 Gelenke (inkl. kleine) |
Die genaue Berechnung erläuterte Prof. Märker-Hermann am Beispiel einer 28-jährigen Patientin. Diese litt seit vier Wochen an Schmerzen und Schwellungen in 13 Gelenken der Hände und Vorfüße. Im Labor fiel eine BSG von 42/60 mm auf, das CRP lag bei 4,3 mg/dl. Die CCP-Antikörper waren mit 185 U/ml massiv erhöht (Norm < 10). Der Rheumafaktor befand sich mit 12 U/ml noch im Normbereich. Als vermehrt gelten Werte ab 14 U/ml. Antinukleäre Antikörper ließen sich nicht nachweisen.
Durch die mehr als elf geschwollenen und schmerzhaften kleinen Gelenke erzielte die junge Frau bereits vier Punkte. Der hochpositive Nachweis CCP-Antikörper fügte drei Punkte hinzu, einen weiteren Punkt steuerte das erhöhte CRP bei. Insgesamt erreichte die Patientin also acht der möglichen zehn Punkte und damit deutlich mehr als die erforderlichen sechs. Sie hatte also definitiv eine rheumatoide Arthritis, obwohl ihre Beschwerden noch keine sechs Wochen bestanden. Ein besonderer Vorteil der ACR/EULAR-Kriterien: Sie ermöglichen den Nachweis einer RA allein mit hausärztlichen Mitteln ohne Röntgenbild.
Neben den klassischen Laborbefunden hatte der Hausarzt der jungen Patientin auch die Borrelien-Serologie kontrolliert. Tatsächlich wies die junge Frau ein erhöhtes IgG auf (58 U/ml) bei negativem IgM. Als Ursache ihrer Beschwerden wäre aber selbst eine aktive Infektion nicht infrage gekommen, wie Prof. Märker-Hermann betonte. Denn die Borreliose löst primär keine Polyarthritis kleiner Gelenke aus.
* Metacarpophalangeal (MCP), proximal interphalangeal (PIP), distal interphalangeal (DIP)
** ACPA: Anti-citrullinated Protein/Peptide Antibodies
Kongressbericht: 127. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (Online-Veranstaltung)
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