Sexualität Wie Stigmatisierung die Lust im Alter behindert
Sexuelle Zufriedenheit steigert das subjektive Wohlbefinden und nützt sowohl der körperlichen als auch der psychischen Gesundheit. Das gilt nicht nur für junge Leute. Auch bei älteren Menschen geht fehlender Sex mit reduziertem Selbstbewusstsein, Unsicherheit und einem gestörten Selbstbild einher, schreiben Friederike Schröck von der Abteilung für neurodegenerative Erkrankungen und geriatrische Psychiatrie der Uniklinik Bonn und Kollegen.
Neben einem fehlenden Partner torpedieren im Alter zahlreiche weitere Faktoren das gesunde Sexleben. So erschweren häufig schon die altersbedingten Veränderungen der Geschlechtsorgane einen befriedigenden Akt. Bei Männern altert der Penis mit, er wird kürzer und schlaffer, was an der Reduktion der elastischen Fasern und der glatten Muskulatur liegt. Außerdem nimmt seine Sensibilität ab. Dies und die im Alter häufigen Komorbiditäten führen dazu, dass bei über 70-Jährigen Schwere und Prävalenz der erektilen Dysfunktion sprunghaft zunehmen.
Auch bei Frauen schlägt das Alter auf die Sexualität. In einer Studie mit über 13.000 Frauen litten 39 % an mindestens einer postmenopausalen sexuellen Störung. Diese reichen von Scheidentrockenheit über Dyspareunie aufgrund von Rektozelen oder Uterusprolaps bis hin zu sexueller Dysfunktion nach Hysterektomie oder Krebs-OP. Zusätzlich zu all diesen Problemen „vor Ort“ kann auch eine Vielzahl somatischer Erkrankungen zu einer sexuellen Dysfunktion führen. Viele der Störfaktoren lassen sich behandeln, womit die medizinischen Bedingungen für eine erfüllte Alterssexualität besser sind denn je, schreiben die Autoren. Trotzdem ist Sex im Alter immer noch ein Tabuthema. Das führt dazu, dass auch in Arztpraxen oder Pflegeheimen kaum darüber gesprochen wird. Dabei wünschen sich viele ältere Menschen mit sexuellen Problemen ein entlastendes Gespräch mit ihrem Arzt, wenn nicht gar therapeutische Hilfe.
Krankheiten als Sexbremse
- Diabetes, Hypertonie, Übergewicht
- Erkrankungen des Urogenitaltrakts
- kardiale Erkrankungen, periphere vaskuläre Erkrankungen
- renale und pulmonale Erkrankungen
- Bandscheibenvorfall, Arthritis und Rheuma
- Epilepsie, Apoplex, Parkinson und Multiple Sklerose
In der westlichen Kultur gilt Senioren-Sex als inakzeptabel
Wichtiger Grund für die Sprachlosigkeit ist die öffentliche Stigmatisierung. Zahlreiche Studien ergaben, dass Sex von Senioren in der westlichen Kultur als inakzeptabel gilt. In den Medien werden alte Menschen meist als gebrechlich und asexuell dargestellt. Oft reduziert man sie auch auf kognitive Störungen, vor allem auf Demenzen. Die Tatsache, dass es bei 2–17 % der dementen Menschen zu sexuellen Übergriffen kommt, hat zu der pauschalen Ansicht geführt, dass Senioren sexuelle Bedürfnisse nur krankheitsbedingt ausleben. Dass sich aufgrund der öffentlichen Stigmatisierung viele kognitiv gesunde alte Menschen gar nicht trauen, ihre Sexualität zu leben und damit einhergehende Probleme zu thematisieren, findet dabei keinerlei Berücksichtigung.Die Rolle psychischer Störungen
Quelle: Schröck F et al. Nervenheilkunde 2021; 40: 1001-1006; DOI: 10.1055/a-1467-7131