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So lassen sich Amyloidosen richtig diagnostizieren

Proteinfaltung ist wie Origami: Ein falscher Knick – und nichts funktioniert. Amyloidosen entstehen, wenn sich falsch gefaltete Eiweiße als Amyloidfibrillen in den Organen ablagern. Bei der ATTR-Amyloidose (häufigste Form), die vor allem kardiale Folgen hat, ist das Transthyretin (TTR) verändert. In den meisten Fällen liegt das am fortgeschrittenen Alter der Patienten, die Erkrankung kann aber auch auf Mutationen im TTR-Gen zurückgehen. Bei der zweithäufigsten Variante, der AL-Amyloidose, bestehen die Ablagerungen dagegen aus den kleinen Untereinheiten der Immunglobuline (leichte Kette). Die Krankheit betrifft hauptsächlich Herz (75 %) und Nieren (57 %), bei jedem Fünften aber auch Nerven oder Leber.
Selten lässt sich eine Amyloidose wirklich klar erkennen. Vergrößerte Zunge und periorbitale Purpura sind zwar charakteristisch für die AL-Amyloidose, treten aber nur bei jedem sechsten bis siebten Betroffenen auf. Ansonsten äußert sich die Erkrankung eher unspezifisch über Fatigue, Ödeme, Belastungsdyspnoe oder Herzinsuffizienz bei erhaltener systolischer Pumpfunktion. Trotzdem gebe es Zeichen, bei denen man unbedingt an eine Amyloidose denken sollte, wie Professor Dr. Morie A. Gertz und Professor Dr. Angela Dispenzieri von der Mayo-Klinik in Rochester schreiben.
Vor allem eine Proteinurie ohne erkennbare Ursache, eine nicht anderweitig erklärbare Belastungsdyspnoe und eine progressive Small-Fiber-Neuropathie sollten einen hellhörig werden lassen. Berichtet der Patient über symmetrische Missempfindungen in Beinen oder Füßen, kommt er ebenfalls für ein Amyloidose-Screening infrage. Hinweise auf eine AL-Amyloidose können Fett und ovale Fettkörper im blanden und zylinderfreien Urinsediment geben. Auch ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom, eine vergrößerte Leber ohne auffällige Bildgebung und atypische schwelende multiple Myelome können auf eine AL-Amyloidose hindeuten. Gerade bei Nieren- und Leberbeteiligung kann es außerdem zu einem Mangel an Faktor X kommen.
Nachweis per Fettaspiration bzw. Szintigraphie möglich
Ist das Herz durch eine Amyloidose geschädigt, besteht häufig eine Verdickung des linken Ventrikels, die man leicht für eine Hypertrophie anderer Genese halten kann. Typische nicht-kardiale Anzeichen für eine altersbedingte ATTR-Amyloidose beschränken sich dagegen hauptsächlich auf ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom, Spinalstenosen und Bizepssehnenrupturen.
Auch wenn die Diagnose nur durch eine Gewebeuntersuchung gesichert werden kann, sei eine Organbiopsie lediglich bei sehr starkem Verdacht nötig, erklären Prof. Gertz und Prof. Dispenzieri. Auffällige Immunglobuline oder hohe Konzentrationen an Leichtketten ließen sich zunächst im Urin oder Serum nachweisen. Seien diese vorhanden, könne man eine AL-Amyloidose am wenigsten invasiv über eine Fettaspiration mit anschließender Kongorot-Färbung bestätigen: Bei 78–100 % der Erkrankten finden sich auch im Unterhautfett Amyloidablagerungen, deren Ursprung man massenspektrometrisch genauer bestimmen kann. Als Alternativen empfehlen die beiden Hämatologen Biopsien des Knochenmarks oder der Lippeninnenseite. Bleiben alle diese Untersuchungen negativ, schließt das bei 85 % der Patienten eine AL-Amyloidose aus.
Bei der ATTR-Amyloidose kann nach einem verdächtigen Herzecho eine Szintigraphie mehr Klarheit bringen: Wird Technetium im Herzmuskel mindestens so stark aufgenommen wie in den Rippenknochen, ist eine ATTR-Amyloidose wahrscheinlich. Die Analyse des TTR-Gens gibt dann Aufschluss darüber, ob eine erbliche Variante vorliegt. Dies ist auch für Verwandte ersten Grades eine wichtige Information.
Je nach Typ der Erkrankung gibt es verschiedene Therapieoptionen. Bei einer AL-Amyloidose kommt aufgrund der oft weit fortgeschrittenen Organschäden maximal ein Viertel der Patienten für eine Stammzelltransplantation infrage. Man erziele aber über eine konventionelle Chemotherapie auf Bortezomib-Basis initial sowie in der Erhaltung auch gute Erfolge, schreiben die Autoren. Bei einem Rezidiv kann z.B. – falls zuvor nicht verordnet – Daratumumab helfen oder, wenn bereits mehr als zwei Jahre vergangen sind, die ursprüngliche Therapie wiederholt werden. Weitere vielversprechende Wirkstoffe befänden sich außerdem in der Testphase.
Eine Lebertransplantation hilft häufig nicht
Tafamidis, ein Stabilisierer, verhindert bei der altersbedingten ATTR-Amyloidose die Bildung neuer Amyloidfibrillen, was sowohl die Mortalität als auch die Klinikaufenthalte aus kardiovaskulärem Anlass um etwa 30 % senkt. Ein ähnlicher Wirkstoff, AG10, wird derzeit experimentell getestet. Liegt eine Mutation zugrunde, scheinen Patisiran und Inotersen, die beide die TTR-Gentranslation hemmen, die Progression von Nervenschäden zu verlangsamen und die Lebensqualität zu verbessern. Damit ist eine Lebertransplantation, die die Krankheitsprogression oft auch nicht aufhalten konnte, für die Betroffenen nicht mehr die einzige Option.
Quelle: Gertz MA, Dispenzieri A. JAMA 2020; 324: 79-89; DOI: 10.1001/jama.2020.5493
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