Extrabudgetäre TSVG-Vergütung – neues Gesetz verschont Hausärzte vor Honorarbereinigung

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Das Korrekturverfahren wird zeitlich mit der epidemischen Lage von nationaler Tragweite verknüpft. Das Korrekturverfahren wird zeitlich mit der epidemischen Lage von nationaler Tragweite verknüpft. © ira_qiwi – stock.adobe.com

Die mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) 2019 eingeführten extrabudgetären Vergütungen sollen jetzt teilweise wieder einkassiert werden. Bei den Hausärzten schlägt das jedoch kaum durch.

Rückblick: Gesundheitsminis­ter Jens Spahn will sich bei Ärzten und Patienten beliebt machen. Er schafft 2019 mit dem TSVG Regelungen, die mithilfe von Sonderhonoraren lange Wartezeiten, insbesondere auf Facharzttermine, verhindern sollen. Extrabudgetär vergütet werden seither Leistungen bei Patienten, die über eine Terminservicestelle (TSS) vermittelt werden, die erstmals in die Praxis zur Behandlung kommen, die über einen Hausarzt an den Facharzt vermittelt oder die in „offenen Sprechstunden“ behandelt werden.

Doch die so gewonnenen Honorare sollen nun durch Verrechnung mit der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) teilweise wieder neutralisiert werden. So ist es im „Gesetz zum Erlass eines Tierarzneimittelgesetzes und zur Anpassung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ vorgesehen, das der Bundestag am 24. Juni 2021 verabschiedet hat. Eigentlich hatte die Koalition mit einem Änderungsantrag im Gesundheitsausschuss die Regelung im Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung treffen wollen.

Unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bewertungsausschusses ist vierteljährlich ein KV-spezifisches Korrekturverfahren durchzuführen. Die Bereinigung zielt auf:

  • Leistungen von Ärzten der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung bei Patienten, die in der Praxis erstmals bzw. seit mindestens zwei Jahren wieder untersucht und behandelt werden (neue Patienten).
  • Leistungen im Rahmen von bis zu fünf offenen Sprechstunden je Kalenderwoche ohne vorherige Terminvereinbarung gemäß § 19a Absatz 1 Satz 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte.

Ab dem 1. Juli 2021 sind die in § 87a Absatz 3 Satz 5 Nummer 3 bis 6 genannten TSVG-Leistungen bei der Abrechnung zu kennzeichnen.

Das Korrekturverfahren erfolgt zunächst für vier Quartale – beginnend mit Juli 2021. Es verlängert sich mit dem Fortbestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Enden soll es ein Jahr nach Aufheben der Lagefeststellung. Zuletzt wurde diese bis zum 30.09.2021 verlängert.

Wichtig für den hausärztlichen Bereich ist: Diese Regelung tangiert nicht den Honoraranteil, der fürs Vermitteln fachärztlicher Untersuchungs- und Behandlungstermine fließt. Die Vergütung von 10 Euro pro Vermittlung wird weiterhin extrabudgetär und unbereinigt gezahlt.

Das Kennzeichnen von Neupatienten sollte man ohnehin nicht aufgeben und weiterhin das extrabudgetäre Honorar fürs gesamte Quartal abrufen. Die Bereinigung erfolgt nämlich auf der MGV-Ebene und wirkt sich nicht aufs Regelleistungsvolumen (RLV) der Praxis aus. Lediglich über das RLV hinaus erbrachte Leistungen könnten durch die Maßnahme von einem niedrigeren (Rest-)Punktwert betroffen sein.

10,35 Euro extrabudgetär fürs Vermitteln zum Facharzt

Wie es scheint, ist die „Honorarreserve“ der TSVG-Leistungen während der Pandemie etwas in Vergessenheit geraten. In der haus­ärztlichen Praxis sind drei Typen der Sondervergütung zu unterscheiden, wobei die Neuregelung dazu führt, dass sich in erster Linie die beiden letztgenannten Elemente „rechnen“:

  • Zuschläge für über die Terminservicestelle vermittelte Patienten
  • extrabudgetäre Vergütung bei neuen Patienten
  • Vermittlungsgebühr, wenn Haus­ärzte zu Fachärzten überweisen

Nur Hausärzte erhalten einen Zuschlag zu den Versichertenpauschalen nach den Nrn. 03000 und 04000 EBM fürs Vermitteln von Facharztterminen. Die Bewertung mit 93 Punkten entspricht derzeit einem extrabudgetären Honorar von 10,35 Euro. Der Zuschlag ist mehrfach berechnungsfähig, wenn der Patient im selben Quartal von demselben Hausarzt zu unterschiedlichen Arztgruppen vermittelt wird.

Fallbeispiel: Vermittlung zum Kardiologen und Pulmologen
57-jähriger Patient mit Dyspnoe und „pathologischem“ Belastungs-EKG bei bekannter COPD wird zur Abklärung an einen Kardiologen und an einen Pulmologen überwiesen.
EBM-Nr.
Legende
Euro
03004Versichertenpauschale im 57. Lebensjahr16,46
03220Chronikerpauschale 114,46
03321Belastungs-EKG22,03
03230Problemorientiertes ärztliches Gespräch14,24
03008 (BSNR)Zuschlag zur Versichertenpauschale 03000 fürs Vermitteln eines medizinisch dringend erforderlichen Behandlungstermins10,35
03008 (BSNR)10,35
Bitte beachten: Hier wird nur der Zuschlag nach Nr. 03008 extrabudgetär vergütet. Die übrigen Leistungen werden nach den Bestimmungen des regionalen Honorarverteilungsmaßstabes der KV bezahlt.

Dieses Honorar wird allerdings nur gezahlt, wenn es sich um einen medizinisch dringend erforderlichen Behandlungstermin handelt. Voraussetzung ist auch die erfolgreiche Vermittlung innerhalb von vier Kalendertagen nach Feststellen der Behandlungsnotwendigkeit durch den Hausarzt. Außerdem muss die Betriebsstättennummer (BSNR) der Praxis, an die der Patient vermittelt wurde, bei der Abrechnung des Zuschlags Nr. 03008 EBM angegeben werden. Die Ansatzhäufigkeit der Nr. 03008 ist auf 15 % der Behandlungsfälle beschränkt. Eine Praxis mit z.B. 1000 Patienten im Quartal kann die Leistung deshalb maximal 150 Mal ansetzen. Dies entspricht einem sicheren Zusatzhonorar von rund 1550 Euro.

Ebenfalls extrabudgetär werden nach Vorgabe im TSVG seit September 2019 Leistungen vergütet, wenn ein Patient erstmals in die Praxis kommt oder nach mindestens acht Quartalen erstmals wieder zu einer Untersuchung oder Behandlung in die Arztpraxis zurückkehrt.

Fallbeispiel: ein neuer Patient in der Praxis
57-jähriger Patient mit bekanntem Diabetes mellitus und aktuell Dyspnoe kommt erstmals in die Praxis, weil er ­wegen eines Wohnortwechsels seinen bisherigen Hausarzt nicht mehr aufsuchen kann. Er klagt über seit einigen Tagen ­bestehende retrosternale Schmerzen. Es wird deshalb ein Belastungs-EKG durchgeführt.
EBM-Nr.
Legende
Euro
03004Versichertenpauschale im 57. Lebensjahr16,46
03220HChronikerpauschale 114,46
03321Belastungs-EKG22,03
03230Problemorientiertes ärztliches Gespräch14,24
In diesem Fall werden im betreffenden Quartal alle Leistungen extrabudgetär vergütet. Dieser Patient muss nicht über die TSS vermittelt werden. Da ein Hausarztwechsel vorliegt, ist die Nr. 03220 mit dem Zusatz „H“ zu versehen.

In einer fachübergreifenden Berufsausübungsgemeinschaft wird auf die Arztgruppe abgestellt, maximal jedoch auf zwei Arztgruppen pro Praxis. Bei einer Behandlung durch weitere Arztgruppen einer Praxis gilt der Patient für diese Arztgruppen nicht als Neupatient. Eine bisherige Behandlung im Rahmen eines Selektivvertrages, z.B. in der HzV, oder ein Wechsel der Krankenkasse durch den Versicherten führt nicht zu einer Einstufung als Neupatient.

Nicht jeder neue Patient hat einen RLV-Effekt

Dies gilt auch für eine Behandlung in einer Praxis innerhalb der ersten zwei Jahre nach Gründung oder bei einem Gesellschafterwechsel (Praxisübernahme).

Wichtig: Die Kennzeichnung solcher Neupatienten rechnet sich nur, wenn Leistungen anfallen, deren Bewertung insgesamt über das RLV hinausgeht oder die nicht sowieso extrabudgetär vergütet werden (z.B. Präventionsleistungen), da für solche Fälle kein RLV zugeteilt wird.

Medical-Tribune-Bericht