Umsatzsteuer Der Fiskus guckt jetzt genauer hin
Hausarzt Dr. Karl Köhler (Name geändert) betreibt auf dem Dach seines Privathauses, fernab der Praxis, eine Photovoltaik-Anlage. Sein Gewinn aus der Einspeisung des erzeugten Solarstroms belief sich im Jahr 2020 auf weniger als 500 Euro. Abzuführen waren rund 90 Euro an Umsatzsteuer. Dr. Köhler hat nämlich darauf verzichtet, die sog. Kleinunternehmerregelung zu nutzen, die für Einkünfte von bis zu 22.000 Euro (im vorangegangenen und voraussichtlich 50.000 Euro im laufenden Jahr) eine Umsatzsteuerbefreiung vorsieht. Das machen viele Betreiber kleiner PV-Einheiten so, um sich die gezahlte Vorsteuer aus den Rechnungen für die Installation und Wartung ihrer Anlage vom Finanzamt zurückzuholen.
Was Dr. Köhler aber überrascht hat: Sein Steuerberater berechnete ihm für das Ermitteln des Überschusses aus Gewerbebetrieb (Stromeinspeisung) und das Erstellen der Umsatzsteuererklärung rund 200 Euro Honorar. Dazu kommen noch die Gewerbesteuererklärung und der Auslagenersatz. Über die Hälfte der Stromeinnahmen wird dadurch aufgefressen, wundert sich der Arzt. Auch verblüfft ihn, dass der Berater für die Honorarermittlung nicht nur die knapp 500 Euro zugrunde legte, sondern zusätzlich noch ein Zehntel des Praxisumsatzes, der gar nicht von der Umsatzsteuer tangiert ist.
Sein Steuerberater erklärte ihm: Seit ein paar Jahren bestehe auch für Ärzte die Pflicht, eine Umsatzsteuererklärung beim Finanzamt abzugeben. Folglich müssten in der Umsatzsteuererklärung jedes Jahr die befreiten Arzteinnahmen, Einkünfte für weitere in der Praxis erzielte, aber umsatzsteuerpflichtige Leistungen sowie die Einnahmen aus der PV-Anlage erklärt werden. Die dafür anfallenden Steuerberatungskosten könnten „aber natürlich wieder als Betriebsausgaben steuerlich abgesetzt werden sowie die Vorsteuer (wegen der PV-Anlage) vom Finanzamt zurückgeholt werden“.
Oberster Rechnungshof monierte laxe Kontrollen
Zur Einordnung: Dieser Fall spielt in Bayern. Dort prüfte der Bayerische Oberste Rechnungshof bei sechs Finanzämtern die Besteuerung von Ärzten und Zahnärzten. In seinem Jahresbericht 2016 notierte er, dass nur bei 18 von 130 Betriebsprüfungsfällen im Gesundheitsbereich eine Feststellung zur Umsatzsteuer erfolgte. Die Unterscheidung zwischen umsatzsteuerfreien und -steuerpflichtigen Leistungen von Praxen sei unzureichend kontrolliert worden, monierte der Rechnungshof.
Selten seien die von den Ärzten erklärten umsatzsteuerpflichtigen Umsätze auf Plausibilität geprüft worden. Erkennbar umsatzsteuerpflichtige Angebote im Internet hätten nicht zwangsläufig zur Besteuerung geführt, da die Finanzämter diese Informationsquelle nicht systematisch nutzten. Und selbst wenn bei einem Arzt eine Betriebsprüfung erfolgte, fand der Oberste Rechnungshof in den Akten häufig Vermerke wie „Arzt – keine Umsatzsteuer“.
Das berichtet der Steuerberater Dr. Ralf Erich Schauer, Partner einer auf Heilberufe spezialisierten Steuerberater- und Rechtsanwaltskanzlei in München. Die bayerische Finanzverwaltung habe deshalb reagiert und „angewiesen, dass seit 2017 von allen niedergelassenen Ärzten in Bayern Umsatzsteuererklärungen angefordert werden“. Schließlich sei eine Unterscheidung in Freiberufler und Gewerbetreibende, wie es sie im Einkommensteuergesetz gibt, für die Umsatzsteuer nicht vorgesehen. „Jede selbstständig ausgeübte, gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ist eine unternehmerische Tätigkeit im Sinne des Umsatzsteuergesetzes. Es reicht aus, wenn die Tätigkeit nachhaltig erbracht wird“, erklärt Dr. Schauer.
Umsatzsteuerpflichtiges Leistungsspektrum nimmt zu
Für klassische Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin ist zwar in § 4 Nr. 14 UStG eine Umsatzsteuerbefreiung für Ärzte, Zahnärzte, Heilpraktiker, Physiotherapeuten, Hebammen usw. vorgesehen. Allerdings erbringen Heilberufler auch andere Leistungen. „Nicht von der Umsatzsteuer befreit sind zum Beispiel Schönheitsoperationen, Wellnessangebote, Tattoo-Entfernungen sowie Faltenbehandlung mit Hyaluron und Botox“, erläutert Dr. Schauer.
Ärztliche Leistungen mit und ohne Umsatzsteuer
Zusätzliche Arbeit: MwSt. berechnen und abführen
Insa Stoidis-Connemann ist Steuerberaterin im ostfriesischen Leer. In Niedersachsen sollen jetzt ebenfalls verstärkt USt-Erklärungen für die steuerfreien Arzteinnahmen eingefordert werden, hat sie erfahren. Und Nordrhein-Westfalen könnte schnell folgen. Sollten Ärzte künftig grundsätzlich eine „vollständige“ (also nicht nur objektbezogene) USt-Erklärung abgeben müssen, würden die gesamten Arzteinnahmen von der Finanzverwaltung genauer als bisher darauf untersucht, ob darin enthaltene Leistungen umsatzpflichtig seien. Die Kleinunternehmer-Befreiungsgrenze könne dann rasch überschritten sein. Die Folge: Es ist den Kunden Umsatzsteuer zu berechnen und diese ans Finanzamt abzuführen. Solche Einnahmen seien bisher oft im Gros der Arzteinnahmen „untergegangen“ und auch bei Betriebsprüfungen nicht beachtet worden – es sei denn, hohe „sonstige Einnahmen“ führten zu Rückfragen des Finanzamtes, berichtet Stoidis-Connemann. Nachforderungen des Finanzamtes werden sich auf 19 % der jeweiligen umsatzsteuerpflichtigen Einnahmen belaufen, gibt die Steuerberaterin zu bedenken. Plus die Verzinsung der Nachzahlungen mit jährlich 6 % für frühere Jahre bzw. mit einem noch festzusetzenden Zinssatz für die neueren Jahre.Photovoltaik-Anlage als Liebhaberei
Medical-Tribune-Bericht