Neue und bewährte Therapieoptionen bei Kopfschmerzen

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Sobald der Kopfschmerz auftritt, sollte das Analgetikum so früh wie möglich und so hoch dosiert wie nötig eingenommen werden. Sobald der Kopfschmerz auftritt, sollte das Analgetikum so früh wie möglich und so hoch dosiert wie nötig eingenommen werden. © goodluz – stock.adobe.com

Für die Behandlung von Kopfschmerzen gibt es inzwischen zahlreiche Therapieansätze. Diese reichen von klassischen Analgetika über Triptane bis hin zu Antikörpern. Zwei Kopfschmerzexperten erklären, wann welches Präparat eingesetzt werden kann und was es dabei zu beachten gilt.

In den letzten Jahrzehnten hat sich in der Kopfschmerzbehandlung einiges getan. Spezialisierte Zentren haben Programme aus mehreren Bausteinen erarbeitet: Aufklärung des Patienten, verhaltenstherapeutische Maßnahmen, Entspannungstechniken, regelmäßiger Sport und Medikamente. Außerdem setzen Fachgesellschaften auf die gezielte Weiterbildung Niedergelassener. Diese schließt mit dem Erwerb eines Zertifikats ab (Näheres siehe www.dmkg.de/zertifikat-und-gueltigkeit.html).

Neben dem Spannungskopfschmerz spielt die Migräne eine Hauptrolle bei den primären Kopfschmerzen, erklären Professor Dr. Andreas­ Straube­ und Privatdozentin Dr. Ruth­ Ruscheweyh­ von der Klinik für Neurologie am Oberbayrischen Kopfschmerzzen­trum des Klinikums Großhadern in München. Die Experten empfehlen Betroffenen, bei einem Anfall nicht lange mit dem Einsatz eines Analgetikums zu warten, sondern es so früh wie möglich und so hoch dosiert wie nötig einzunehmen (s. Tabelle). Bei lang andauernden Attacken raten sie zu einer Substanz mit längerer Halbwertszeit, z.B. Naproxen. Weiterhin gilt grundsätzlich, dass Kranke die üblichen Analgetika nicht häufiger als 15 Tage, Triptane sowie Misch­analgetika (z.B. mit Koffein) sogar nur zehn Tage im Monat schlucken sollten.

Auswahl von Medikamenten, die bei Migräne eingesetzt werden
Substanz
Einzeldosis
akute Attacke
Acetylsalicylsäure bis 1 g (Tabletten)
Ibuprofen200–600 mg
Naproxen200–825 mg, bei lang andauernden Anfällen bis 1000 mg
Triptanje nach Wirkstoff, z.B. Sumatriptan 50–100 mg oral oder 10–20 mg nasal
Prophylaxe bei chronischer MigräneAmitriptylin50 bis 75 mg
Betablockerje nach Substanz, z.B. Propranolol 40–40 mg, Bisoprolol 5–10 mg
Topiramat50 bis 100 mg
Onabotulinumtoxin A155 bis 195 Einheiten
Anti-CGRP(-R)-Antikörperje nach Substanz, z.B. Galcanezumab 120 mg s.c. alle vier Wochen

Migräne über 72 Stunden erfordert ASS-Infusion

Die Münchner Kollegen gehen außerdem auf einige Sonderfälle ein:

  • Bei Migränestatus (anhaltende Attacke über mehr als 72 Stunden, die auf übliche Medikamente nicht anspricht) ist ASS intravenös indiziert (plus Metoclopramid). Alternativ kommt Sumatriptan subkutan infrage. Falls die Symptome sich dann immer noch nicht bessern, kann einmalig Prednisolon helfen. Von Opioiden raten die Experten dagegen ausdrücklich ab.
  • In der Schwangerschaft bessert sich eine Migräne oft – zumindest wenn keine Aura besteht; eine Migräne mit Aura kann sich dagegen verschlimmern. In den ers­ten sechs Monaten können ASS oder Ibuprofen eingenommen werden, danach aber erhöhen sie das Risiko, dass sich der Ductus arteriosus beim Kind vorzeitig schließt. Triptane wiederum sind bislang in der Schwangerschaft nicht zugelassen. Paracetamol ist über die gesamte Schwangerschaft möglich, obwohl Experten auch hier Nebenwirkungen beim Fetus diskutieren.
  • Bei Kindern sind Paracetamol oder Ibuprofen Mittel der Wahl. Bei Teenagern (ab zwölf Jahre) kann man auch ein Triptan als Nasenspray anwenden. Aber Vorsicht: Migräne kann sich bei den Kleinen ganz anders äußern als gewohnt, oft klagen sie beispielsweise nur über Bauchschmerzen. Eventuell kann man sich auch den in diesem Alter ausgeprägten Placeboeffekt zunutze machen.

Ist eine chronische Migräne bekannt – bei drei bis vier Attacken pro Monat, steigendem Analgetikabedarf oder erfolgloser Akutbehandlung –, kann man eine Routineprophylaxe andenken. Man muss die Betroffenen aber über Nebenwirkungen aufklären und sie vor allem informieren, dass die Vorbeugung die Kopfschmerzen nicht heilen wird. Außerdem empfiehlt es sich, die Therapie nach neun Monaten versuchsweise abzusetzen.

Elektrostimulation gegen Clusterkopfschmerz

Einen ganz neuen Ansatz stellen Stoffe dar, die auf CGRP* abzielen, entweder als direkte Antikörper oder als Hemmstoffe am zuständigen Rezeptor. Die ersten Medikamente aus dieser Gruppe sind schon zugelassen­, weitere­ – vor allem sog. „Small Molecules“ (Gepante) – befinden sich in der Pipeline.

Schließlich kommen die Experten noch auf trigemino-autonome Kopfschmerzen zu sprechen. Auch wenn sie seltener auftreten als Migräneattacken, erweisen sie sich als mindestens genauso quälend und schwer in den Griff zu bekommen. Kennzeichen sind z.B. laufende Nase, Tränen, gerötetes Gesicht, verengte Pupillen und Schwitzen. Hier haben neue Therapieverfahren wie die transkutane Elektrostimulation des N. vagus erste Erfolge erbracht: Sie kann etwa bei Clusterkopfschmerz die Häufigkeit der Attacken deutlich reduzieren.

* Calcitonin Gene-Related Peptide

Quelle: Straube A, Ruscheweyh R. DNP – Der Neurologe & Psychiater 2019; 20: 61-56; DOI: 10.1007/s15202-019-2296-3