Mit Menthol, Chili, Botox und Nasenopiat gegen den chronischen Juckreiz

Dr. Dorothea Ranft

Chronischer Juckreiz, ade! Chronischer Juckreiz, ade! © Photo Sesaon – stock.adobe.com

Gegen quälenden chronischen Pruritus muss eine wirksame Behandlung her. Liegt ihm ein entzündliches Geschehen zugrunde, wird man natürlich primär antiinflam­matorisch behandeln. Für die anderen Fälle benötigt man eine Therapie, die an den Nerven ansetzt.

In der Behandlung des lokalen, nicht-immunvermittelten chronischen Pruritus haben sich nicht zuletzt wegen geringer Kosten und Nebenwirkungen Lokalanästhetika in Cremeform bewährt. Sie können allein (z.B. Lidocain 2,5–5 %) oder in Kombination (Lidocain 2,5 % plus Prilocain 2,5 % zu gleichen Teilen) eingesetzt werden. Ihre Wirkung erklärt sich über die reversible Antagonisierung der nervalen Natriumkanäle, was die Bildung von Aktionspotenzialen verhindert. Bewährt haben sie sich beim lokalen neuropathischen Juckreiz und bei anogenitalem, fazialem und urämischem Pruritus.

Effektiver Mix aus Lidocain, Ketamin und Amitriptylin

Als besonders effektiv stufen Dr. Emilie Fowler und Dr. Gil ­Yosipovitch von der Universitätsklinik Miami die Kombination von 5 % Lidocain mit 5–10 % Ketamin und 5 % Amitriptylin ein. Sie habe sich u.a. bei brachioradialem Pruritus, postherpetischer Neuralgie, Notalgia paraesthetica, Prurigo nodularis und beim chronischen Juckreiz im Senium als effektiv erwiesen.

Eine weitere topische Option bietet Capsaicin. Es eignet sich zur Behandlung lokaler neuropathischer Beschwerden vor allem nach Rückenmarkskompression. Das höher dosierte Pflaster mit 8 % Capsaicin ermöglicht eine länger anhaltende Linderung der Beschwerden, wenn es eine Stunde lang aufgeklebt wird. Manchen Patienten hilft Capsaicin mehr als ein Jahr, anderen nur wenige Tage.

Wenn schon ein Eisbeutel leichte Besserung bringt, lohnt sich ein Versuch mit kühlender Menthol-Creme (1–5 %).

Schrittweise gegen Pruritus

  • Stufe 1: topische Lokalanästhetika, Ketamin-Amitriptylin-Lidocain, Capsaicin und Menthol
  • Stufe 2: Gabapentin/Pregabalin, Ketamin-Amitriptylin-Lidocain (topisch)
  • Stufe 3: Antidepressiva, Capsaicin-Pflaster (8 %) und Botulinumtoxin.
  • Stufe 4: κ-Opioid-Agonisten und μ-Opioid-Antagonisten, i.v.-Ketamin, Nervenblockaden, NK-1-Inhibitoren und Thalidomid im holistischen Therapieansatz

Den chronischen Juckreiz lindern können auch topische Cannabinoide, was nicht verwundert, da die entsprechenden Rezeptoren in Haut und Nervensystem sitzen. Erfolge wurden beispielsweise bei postherpetischer Neuralgie, ur­ämischem und aquagenem Pruritus erzielt. Ebenfalls wirksam, aber invasiver ist die Injektion von Botulinumtoxin in die juckenden Areale. Es eignet sich besonders zur Behandlung des therapieresistenten neuropathischen Pruritus. Der Effekt kann über Monate anhalten, manche Patienten brauchen nur drei bis vier Injektionen im Jahr. Handelt es sich um einen generalisierten chronischen Pruritus, wird ggf. eine systemische Behandlung nötig. Dafür infrage kommen u.a. Gabapentin und Pregabalin, die zentral die neuronale Hypersensibilisierung reduzieren. Gabapentin wirkt bei diversen neuropathischen Erkrankungen inkl. postherpetischer und diabetischer Neuropathie. Pregabalin ist ein Gabapentinoid mit vergleichbarem Wirkspektrum, von dem man sich eine höhere Verträglichkeit erhofft. Bei unzureichendem Ansprechen lohnt sich ein Wirkstofftausch. Trizyklische Antidepressiva werden ebenfalls gegen Juckreiz eingesetzt. Da sie u.a. die histaminergen Rezeptoren antagonisieren, haben sie nur eine geringe Bedeutung beim nicht-histaminergen Pruritus. Diese Einschränkung gilt auch für Doxepin, das an sich als relativ stark antipruritisch gilt. Auch Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie Sertralin, Paroxetin und Fluvoxamin haben beim neuropathischen Juckreiz nur einen begrenzten Effekt. Der atypische Serotonin-Noradrenalin-Wiederauf­nahmehemmer Mirtazapin eignet sich aufgrund seines sedierenden Effekts zur Behandlung des nächtlichen Pruritus.

Auch ein Morphin kann Juckreiz auslösen

Opioide spielen beim Juckreiz ebenfalls eine Rolle: μ-Opioid-Agonisten wie Morphin können Pruritus auslösen, während κ-Opioid-Agonisten antipruritisch wirken. Als Therapeutikum bietet sich z.B. das intranasal verabreichte Butorphanol an, schreiben die Autoren: Der gemischte κ-Opioid-Agonist und µ-Antagonist (in Deutschland beim Menschen nicht zugelassen) eignet sich theoretisch bei Patienten mit therapierefraktärem Juckreiz. Auch Nalbuphin, aus der gleichen Substanzklasse, hat in Studien (z.B. bei Prurigo nodularis) positive Resultate gezeigt. Eine weitere Option bei anhaltendem chronischem Pruritus könnten die Neurokinin-1-Inhibitoren bieten. Die neuen NK-1-Hemmer Serlopitant und Tradipitant zeigen weniger unerwünschte Effekte als Aprepitant – bei vielversprechender Wirkung. Noch auf Einzelfallberichten beruht die Off-Label-Therapie mit intravenösem Ketamin. Auch Thalidomid wird erfolgreich zur Juckreiz-Behandlung eingesetzt. Seine Anwendung kommt allerdings nur bei schwerem therapierefraktärem chronischem Juckreiz in Betracht. Außerdem ist Vorsicht geboten wegen der Teratogenität und wegen des Risikos für eine periphere Neuropathie. In der Praxis gut einsetzbar sind Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung und autogenes Training, beide reduzieren nachweislich den Juckreiz. Psychologische Verfahren wie die kognitive Verhaltenstherapie erleichtern die Kontrolle des „Kratzverhaltens“. Speziell beim neuropathischen Pruritus sind zudem Dehnungs- und Kräftigungsübungen sinnvoll.

Quelle: Fowler E, Yosipovitch G. Ann Allergy Asthma Immunol 2019; 123: 158-165; DOI: 10.1016/j.anai.2019.01.016

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