Mit welcher Dosis lassen sich kardiale Risiken unter Thorax-Radiatio senken?

Dr. Daniela Erhard

Bei der Bestrahlung des Thorax gilt es, gut zwischen Nutzen und Risiko abzuwägen. Bei der Bestrahlung des Thorax gilt es, gut zwischen Nutzen und Risiko abzuwägen. © Science Photo Library/Fung, K.H.

Eine Radiotherapie bekämpft zwar den Krebs, richtet aber auch im umliegenden Gewebe Schaden an. Besonders Patienten ohne KHK scheinen gefährdet zu sein. Forscher haben sich jetzt Dosis-Grenzwerten für Herz und Koronarien bei Lungenkrebspatienten gewidmet.

Bei der Bestrahlung von Tumoren im Brustbereich trägt oft auch das Herz Folgen davon. Eine große Rolle spielt hier die Dosis – und die ist beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) meist höher als bei anderen Krebsarten wie Brustkrebs oder Lymphomen. Nur: Ab wann wird es eigentlich kritisch? Eine amerikanische Studie zeigt jetzt, dass es nicht nur darauf ankommt, welche Strahlendosis das Herz trifft, sondern auch darauf, wie viel die Koronarien abbekommen.

Insbesondere der Ramus interventricularis anterior scheint besondere Bedeutung zu haben, wie die Autoren um Dr. Katelyn­ M. Atkins­ vom Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles berichten. Sie hatten die Unterlagen von 701 Patienten, die zwischen Dezember 2003 und Januar 2014 wegen eines lokal fortgeschrittenen NSCLC an einer Lehr-Klinik der Universität Harvard radiotherapeutisch behandelt worden waren, genauer analysiert. Dabei stellten sie fest, dass schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) deutlich häufiger auftraten, wenn 10 % des Blutgefäßes oder mehr in Summe eine Strahlung von 15 Gy (V15 Gy) erhalten hatten.

Nach Korrektur für weitere Faktoren wie Alter, Hypertonie oder Diabetes errechneten die Forscher, dass Patienten unter diesen Umständen im Mittel ein fast 14-mal höheres Risiko für ein MACE hatten als Personen, bei denen die Strahlenbelas­tung des Arterienastes unter diesem Grenzwert blieb (Hazard Ratio [HR] 13,9; p = 0,03). Auch die Wahrscheinlichkeit zu sterben stieg bei einem Volumen von 15 Gy ab 10 % an (HR 1,58; p = 0,02).

Davon waren vor allem die knapp 65 % der Studiengruppe betroffen, die keine vorbestehende koronare Herzerkrankung (KHK) hatten. Bei ihnen fiel die Jahresinzidenz für ein MACE mit 4,9 % deutlich höher aus als in der Gruppe der KHK-Patienten, in der im selben Zeitraum kein Ereignis auftrat. Die Gesamtmortalität lag nach zwei Jahren mit 51,2 % vs. 42,2 % ebenfalls signifikant höher.

Für KHK-Patienten ist wohl das linke Ventrikel relevant

Unter den Patienten mit kardialer Vorerkrankung stieg die Inzidenz für schwere Ereignisse zwar auch, aber nur um rund drei Prozentpunkte (7,6 % vs. 4,7 %; p = 0,25). Die Sterberaten unterschieden sich rechnerisch ebenso wenig. Allerdings wurde der Gefäßabschnitt in dieser Gruppe wohl auch schwächer bestrahlt als der der vorab herzgesunden Teilnehmer.

Die Detail-Analysen offenbarten, dass noch für weitere Gefäße und für das Herz relevante Grenzwerte existieren. So traten nach bestimmten Strahlendosen an den Koronararterien, insbesondere am Ramus circumflexus, und zudem am Herzen, vor allem am linken Ventrikel bei NSCLC-Patienten ohne koronare Vorerkrankung häufiger schwere kardiale Ereignisse auf (siehe Tabelle). Auch die Mortalität erhöhte sich dadurch teilweise. Als einziger Risikofaktor für vorbelastete Patienten erwies sich die Strahlendosis an der linken Herzkammer. Lag sie in mindestens 1 % des Gewebevolumens bei 15 Gy, führte das auch bei diesen Patienten zu einer signifikant höheren Rate an MACE innerhalb des ersten Jahres (8,4 % vs. 4,1 %; p = 0,046). 

Dosis-Grenzwert
Lokalisation
Dosis
Ramus interventricularis anteriorV15 Gy ≥ 10 %
Koronararterien insgesamt≥ 7 Gy
linker VentrikelV15 Gy ≥ 1 % V25 Gy ≥ 14 %
Herz gesamtV25 Gy ≥ 14 %
Ab diesen Dosen hatten die Patienten ohne KHK-Anamnese ein erhöhtes Sterberisiko. Ausnahme bildet der linke Ventrikel. Wurde er bestrahlt, erhöhte sich auch bei KHK-Erkrankten die Mortalität.

Mittlere Herzdosis von weniger als 1 Gy anwenden

Die Autoren raten, bei der Bestrahlung im Brustbereich gut abzuwägen. Zwar sollte man die genannten Grenzwerte nicht überschreiten. Gleichzeitig dürfe das Minimieren kardialer Nebenwirkungen aber nicht zulasten einer effektiven Tumorbekämpfung gehen. Auf Basis ihrer bisherigen Studien empfehlen sie als Zielwerte zum Beispiel V15 Gy bei weniger als 10 % für den Ramus interventricularis anterior und eine mittlere Herzdosis von weniger als 1 Gy.

Quelle: Atkins KM et al. JAMA Oncol 2020; 7: 206-219; DOI: 10.1001/jamaoncol.2020.6332

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Bei der Bestrahlung des Thorax gilt es, gut zwischen Nutzen und Risiko abzuwägen. Bei der Bestrahlung des Thorax gilt es, gut zwischen Nutzen und Risiko abzuwägen. © Science Photo Library/Fung, K.H.