Antikoagulation dementer Pflegeheimbewohner mit Vorhofflimmern wird hinterfragt

Autor: Dr. Judith Lorenz

Es muss geklärt werden, wann eine Antikoagulation von Demenzkranken einfach keinen Sinn mehr macht. Es muss geklärt werden, wann eine Antikoagulation von Demenzkranken einfach keinen Sinn mehr macht. © iStock/PIKSEL

Viele Demenzkranke mit Vorhofflimmern bekommen noch in ihren letzen Lebensmonaten Antikoagulanzien. Das mag zwar den Leitlinien entsprechen, ist aber von zweifelhaftem Nutzen.

Etwa jeder fünfte Demenzkranke leidet an einem Vorhofflimmern (VHF). Trotz fortgeschrittener Demenz erhält ein Drittel der betroffenen Pflegeheimbewohner noch in den letzten Lebensmonaten Antikoagulanzien. Einige Mediziner hinterfragen inzwischen die Gerinnungshemmung in diesem Kollektiv. Obwohl das Schlaganfallrisiko gemäß Leitlinien eine Behandlung oft rechtfertigt, relativieren ihrer Ansicht nach der fortschreitende ko­gnitive und funktionelle Abbau sowie die reduzierte Lebenserwartung der Patienten den Nutzen der Therapie.

US-Kollegen analysierten die Daten von 15.217 Pflegeheimbewohnern (Durchschnittsalter 88 Jahre), die sowohl an einer fortgeschrittenen Demenz (z.B. Alzheimer) als auch an VHF litten. Mehr als 5000 Patienten hatten im letzten halben Jahr vor ihrem Tod Antikoagulanzien erhalten. Höherer Demenzschweregrad, lange Pflegebedürftigkeit, erhöhtes Blutungsrisiko sowie Mortalitätsindikatoren (z.B. Schluckstörungen, Gewichtsverlust, Druckulzera) erhöhten sogar die Wahrscheinlichkeit für eine Antikoagulation am Lebensende. Sehr alte sowie im Hospiz betreute Patienten erhielten dagegen deutlich seltener Gerinnungshemmer. Die Indikation zur Antikoagulation bei VHF ist durch die Leitlinien gut definiert, das Behandlungsende dagegen nicht, bemängeln die Forscher.

Auch im begleitenden Editorial zur Studie sieht man dringenden Klärungsbedarf. Untersuchungen müssten Nutzen und Risiken bei hohem Alter, schwerer Demenz und anderen lebenslimitierenden Erkrankungen beleuchten, damit Betroffene und ihre Familien entsprechend beraten werden können.

Quellen:
1. Ouellet GM et al. JAMA Intern Med 2021; DOI: 10.1001/jamainternmed.2021.1819
2. Parks AL, Covinsky KE. A.a.O.; DOI: 10.1001/jamainternmed.2021.1804