Skabies
Als Skabies wird die Infektion der Haut durch die Krätzemilbe oder Skabiesmilbe (Sarcoptes scabieivariatio hominis) bezeichnet. Kennzeichnend für die ansteckende Hauterkrankung sind Milbengänge, ein Hautausschlag unterschiedlicher Morphologie und Schwere sowie vor allem ein quälender Juckreiz. Die Erkrankung kommt weltweit vor und kann Menschen jeden Alters betreffen.
Skabiesmilben sind auf den Menschen spezialisierte obligate Parasiten, die außerhalb der menschlichen Haut unter unseren Klimabedingungen nur etwa 48 Stunden infektiös bleiben. Die auf der Hautoberfläche befruchteten weiblichen Milben penetrieren das Stratum corneum und graben hier tunnelförmige Gänge (pro Tag etwa 0,5 bis 5 mm). In diesen Gängen legen sie pro Tag ein bis vier Eier und scheiden Kotballen (Skybala) aus. Sie bleiben etwa 30 bis 60 Tage lebensfähig und verlassen in dieser Zeit das Tunnelsystem i.d.R. nicht mehr. Aus den Eiern schlüpfen nach zwei bis drei Tagen Larven, die an die Hautoberfläche ausschwärmen und sich dort in Falten, Vertiefungen und Haarfollikeln zu Nymphen und nach etwa zwei bis drei Wochen zu geschlechtsreifen Milben entwickeln.
Da Skabiesmilben sich nur sehr langsam bewegen können, ist für die Übertragung von Mensch zu Mensch ein enger, mindestens fünf bis zehn Minuten andauernder Hautkontakt notwendig. Normale Berührung wie Händeschütteln oder kurze Umarmungen reichen somit für die Übertragung meist nicht aus. Ansteckungsgefahr droht vor allem bei Mitgliedern von Familien, Paaren, engen Massenunterkünften, Kleinkindern in Betreuungseinrichtungen sowie bei pflegebedürftigen Personen und deren Betreuern. Bei Erkrankungen mit sehr hohen Milbenzahlen kann die Ansteckungsgefahr höher sein.
Bei einer Erstinfektion erscheinen die ersten Symptome nach zwei bis fünf Wochen. Leitsymptom ist der quälende Juckreiz, der sich vor allem nachts verstärkt.
Hauterscheinungen:
- kommaartige, oft unregelmäßig gewundene, wenige Millimeter bis 1 cm langen Milbengänge, an deren Ende sich manchmal ein kleines Bläschen ausbildet
- Prädilektionsstellen sind insbesondere in Bereichen mit dünner Hornschicht wie Fingerzwischenräume, Handgelenke, Mamillen, Nabelregion, Axillarfalten, Leisten und im Genitalbereich
- längliche Papeln am Penisschaft mit Juckreiz sind nahezu beweisend für Skabies
- evtl. sichtbare Milbengänge (feine rote Linien)
- Rücken ist selten befallen; Kopf, Nacken, Handflächen und Fußsohlen bleiben zumeist ausgespart
- bei Säuglingen und Kleinkindern typische Hauterscheinungen auch am behaarten Kopf, im Gesicht sowie palmoplantar
- Ekzemreaktion als Ausdruck zellvermittelter Immunantwort gegen Milbenprodukte, Kratzeffekte, Verkrustungen, mögliche Impetiginisierung
- im Verlauf von Wochen vielfältig morphologisches Bild (sogenannte „schillernde Morphe“ der Skabies)
Sonderformen:
Scabies crostosa (früher auch Scabies norvegica)
- vor allem bei immunsupprimierten Patienten, auf denen sich die Milben ungehemmt vermehren
- hochansteckend auch bei kurzem Körperkontakt
- diffuse Hyperkeratosen, gelegentlich auch Krusten und Borken auf erythematösem Grund mit Schuppung (kann an Psoriasis oder hyperkeratotisches Ekzem erinnern)
- bevorzugt betroffen sind Hände und Füße (typischerweise mit Beteiligung der Palmae, Plantae → palmoplantare Hyperkeratosen), Nägel, Handgelenke, Ellenbogen – häufig auch Kopfhaut, Gesicht und Hals befallen
- Gefahr der bakteriellen Superinfektion mit Lymphadenopathie, Bakteriämie und Sepsis
- Juckreiz ist gering oder kann gänzlich fehlen
Scabies nodosa:
- ca. 7 % der Skabiesfälle (vor allem bei Säuglingen, Kleinkindern und älteren Menschen)
- derbe, rundliche, rotbraune bis livide, 5 bis 20 mm große Knoten mit Bevorzugung der Genitoinguinal-, Perianal- und Axillarregion
- erheblicher Juckreiz
- beruht auf starker, immunologischer Reaktion auf Ausscheidungs- und Zerfallsprodukte der Milben
- bildet sich oft erst Wochen bis Monate nach erfolgreicher antiskabiöser Behandlung zurück („postskabiöse Papeln“)
Postskabiöses Ekzem:
- persistierend juckender Effloreszenzen nach erfolgreicher skabizider Therapie
- irritatives Ekzem als Folge der Lokaltherapie oder durch Hauttrockenheit
“Gepflegte” Skabies:
- bei sehr guter Körperhygiene kann die Anzahl der Milben noch geringer als bei gewöhnlicher Skabies sein
- Effloreszenzen oft diskret und auf einzelne Regionen wie z. B. die Mamillenumgebung beschränkt
- Juckreiz muss nicht unbedingt verringert sein
- auch bei Applikation kortisonhaltiger Externa
Die Untersuchung zeigt die typischen Hauterscheinungen.
Die Verdachtsdiagnose wird gestellt bei starkem Juckreiz und typischen Hautsymptomen im Zusammenhang mit anamnestischen Angaben über eine mögliche Exposition.
Gesichert werden kann die Diagnose durch folgende Verfahren:
- mikroskopischer Nachweis von Milben, Eiern oder Skybala aus Hautgeschabsel von den Enden der Gänge („scin scraping“) oder Klebebandtest (Klebeband fest auf verdächtige Gangenden drücken)
- Dermatoskopie
- PCR
- evtl. konfokale Mikroskopie („Life-Bilder“ von Milben)
Skabies sollte differenzialdiagnostisch bei jeder juckenden Dermatose in Erwägung gezogen werden, die nicht sicher einer anderen Erkrankung zugeordnet werden kann.
Primäres Therapieziel ist die Abtötung der Skabiesmilben sowie ihrer Larven und Eier. Da die Milben im Stratum corneum lokalisiert sind, lässt sich dies in den meisten Fällen durch topische Antiskabiosa erreichen.
Sekundäre Therapieziele bestehen in der Behandlung von Symptomen (insbesondere des oft ausgeprägten Juckreizes) sowie von entzündlichen Begleiterscheinungen und Sekundärinfektionen.
Alle engen Kontaktpersonen sollten mitbehandelt werden, auch wenn keine Hautveränderungen vorliegen.
Topische Therapie:
Als Mittel der ersten Wahl gilt in Europa Permethrin (5 %), das sowohl die Milben als auch die Eier abtötet. Bei gewöhnlicher Skabies wird die Permethrin-Creme einmalig für acht bis zwölf Stunden – am besten über Nacht – aufgetragen und anschließend abgeduscht oder abgewaschen.
Behandelt wird die gesamte Haut lückenlos vom Unterkiefer abwärts einschließlich der Retroaurikularfalten. Bei Kindern unter drei Jahren und älteren Menschen über 60 Jahre sollte der Kopf unter Aussparung der unmittelbaren Augen- und Mundregion in die Therapie einbezogen werden.
Es empfiehlt sich, vor der Behandlung die Nägel zu kürzen, ein Ganzkörperbad zu nehmen (oder zu duschen) und das Antiskabiosum erst nach Trocknen der Haut und Erlangung der normalen Körpertemperatur (nach etwa 60 Minuten) anzuwenden. Um alle Körperstellen zu erreichen, ist dazu immer eine zweite Person notwendig.
Bei stark entzündlicher Haut kann vor oder mit Beginn der antiskabiösen Therapie für zwei bis drei Tage ein Kortikosteroid-haltiges Externum verwendet werden.
Mögliche Alternativen sind:
- Benzylbenzoat (10 oder 25 %, vor allem bei Kindern und Schwangeren)
- Crotamin (Anwendung an 3–5 aufeinander folgenden Tagen)
- topisches Ivermectin
- Schwefelpräparate
Eine zweite Behandlung sollte eventuell nach 7 bis 14 Tagen erfolgen.
Systemische Therapie
Mittel der Wahl ist die einmalige Gabe von Ivermectin. Empfohlen wird die systemische Therapie in folgenden Fällen:
- wenn Patienten auf eine Vorbehandlung mit Permethrin nicht angesprochen haben
- bei immunsupprimierten Patienten
- bei Scabies crustosa (zusätzlich zu oder statt einer Lokaltherapie)
- bei Patienten mit stark ekzematöser oder erosiver Haut, bei denen eine Anwendung von lokalen Antiskabiosa wegen hoher Resorptionsgefahr oder starker Reizung nicht durchführbar ist (trotz vorausgehender Lokaltherapie mit Kortikosteroiden)
- wenn aus verschiedenen Gründen (z.B. körperlicher Behinderung, kognitive Einschränkung, fehlendes Verständnis oder organisatorischen Schwierigkeiten) eine adäquate Ganzkörperbehandlung mit Permethrin oder Benzylbenzoat nicht gewährleistet ist
Zur Vermeidung von Reinfektionen sollte die Kleidung und Bettwäsche bei mindestens 60 °C gewaschen und im Trockner getrocknet werden.
Alternativ können nicht bei hohen Temperaturen waschbare Kleidungsstücke in Folie eingeschweißt und über 72 Stunden bei 21 °C gelagert werden.
Polstermöbel sollten abgesaugt und danach 48 Stunden nicht benutzt werden.
Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG):
Skabies: Diagnostik und Therapie
Verschenken Sie kein Honorar: Das „Gebühren-Handbuch digital“ ist die ideale Weiterentwicklung der Printausgabe des bekannten „Medical Tribune Gebühren-Handbuchs“ - statt 2000 Buchseiten der schnelle digitale Zugriff.
Was Ihnen die Abrechnung leichter macht:
- die immer aktuelle Fassung von EBM und GOÄ (Einheitlicher Bewertungsmaßstab und Gebührenordnung für Ärzte)
- Tipps und Experten-Kommentare zur Honorarabrechnung (EBM/GOÄ), graphisch aufbereitet und leicht verständlich
- Kommentare von Kollegen lesen und selbst kommentieren
- persönliche Notizen und Lesezeichen setzen
Fortbildungen
Termin | Fortbildung | Ort | |
---|---|---|---|
04.12.2024 | 16:00 - 19:15
|
Case Conference 2024 Neues Wissen von Fall zu Fall Details Online-Teilnahme Programm |
Online |
4 CME-Punkte
kostenfrei
|
06.12.2024 | 07:30 - 08:15
|
Frühstücksfortbildung am Freitag 2024 Wie gelingt Antibiotic Stewardship bei Pharyngitis? Details Online-Teilnahme Programm |
Online |
1 CME-Punkt
kostenfrei
|
13.12.2024 | 07:30 - 08:15
|
Frühstücksfortbildung am Freitag 2024 Pseudokrupp - Kindgerechte Behandlung im Akutfall Details Online-Teilnahme Programm |
Online |
1 CME-Punkt
kostenfrei
|
Diese Informationen dienen ausschließlich der Aus- und Weiterbildung von Angehörigen und Studenten der medizinischen Fachkreise (z.B. Ärzte) und enthalten nur allgemeine Hinweise. Sie dürfen nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden und sind kein Ersatz für eine ärztliche Beratung oder Behandlung. Die jeweiligen Autoren haben die Inhalte nach bestem Wissen gepflegt. Dennoch sollten Sie die Informationen stets kritisch prüfen und mit zusätzlichen Quellen vergleichen. Die Autoren und die Betreiber von medical-tribune.de übernehmen keine Haftung für Schäden, die durch nicht-kontrollierte Anwendung von Empfehlungen und Inhalten entstehen. Beiträge, die Angaben zum Einsatz und zur Dosierung von Medikamenten machen, sind die persönliche Einschätzung der Autoren. Sie ersetzen nicht die Empfehlungen des Herstellers oder des behandelnden Arztes oder Apothekers.