Hepatozelluläres Karzinom

Definition

Bei einem hepatozellulären Karzinom (HCC) handelt es sich um eine Krebserkrankung, die aus Hepatozyten hervorgeht, und den häufigsten primären Lebertumor. Davon abzugrenzen sind Metastasen anderer Tumoren, die sich in dem Organ ansiedeln.

Gemäß den Barcelona-Kriterien teilen Ärzt:innen ein HCC in verschiedene Stadien ein:

  • BCLC 0: solitärer Herd, < 2 cm
  • BCLC A (früh): 1 Herd oder maximal drei Herde bis 5 cm, ECOG 0; ggf. Unterteilung, ob Transplantationskriterien erfüllt sind
  • BCLC B (intermediär): multiple Herde, nicht resektabel, Teilverschluss der Portalvene, ECOG 0
  • BCLC C (fortgeschritten): Portalvenenverschluss oder extrahepatische Metastasen, ECOG 1-2
  • BCLC D (Endstadium): Leberversagen (Child-Pugh C), ECOG 3-4

Oft beschränkt sich die Erkrankung auch in fortgeschrittenen Stadien auf die Leber, wobei sie die Funktion des Organs zunehmend beeinträchtigt. Fernmetastasen können beispielweise in Lunge, Nebennieren, Knochen und Gehirn auftreten.

Die Inzidenz primärer Lebertumoren ist in Südostasien und Ländern südlich der Sahara besonders hoch, vermutlich aufgrund der dortigen Rate chronischer Hepatitis-B-Infektionen. 2017 erkrankten in Deutschland 8943 Patient:innen an einer Form von Leberkrebs, fast 8000 starben daran. Männer sind dreimal häufiger betroffen als Frauen.

Insgesamt sind vor allem Personen mit Leberzirrhose oder fortgeschrittener Leberfibrose gefährdet, unabhängig von deren Ursache. Dabei ist das Gewebe des Organs nach jahrelangen Schädigungen und/oder Entzündungsprozessen narbenartig verändert, Hepatozyten sterben ab. Nur etwa 20 % der Erkrankten weisen initial keine derartige Pathologie auf. Epidemiologisch spielen in Deutschland chronische HCV-Infektionen sowie Alkoholmissbrauch die größte Rolle. Die Prävalenz nicht-alkoholischer Fettlebererkrankungen steigt jedoch stark und wird sich vermutlich bald zur häufigsten HCC-Ursache in Europa entwickeln.

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Symptomatik

Ein HCC bleibt oft lange unbemerkt. In fortgeschrittenen Stadien können beispielsweise folgende Beschwerden auftreten:

  • unspezifische Allgemeinsymptome: Appetitlosigkeit, Übelkeit, erhöhte Temperatur, ungewollter Gewichtsverlust, Schwäche, Müdigkeit und Leistungsminderung
  • Druckschmerz im Oberbauch, eventuell Schmerzen in der rechten Schulter
  • tastbare Vergrößerung unter dem rechten Rippenbogen
  • zunehmender Ikterus, Juckreiz
  • Aszites, intraabdominale oder gastrointestinale Blutungen
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Untersuchung

Neben der allgemeinen Anamnese kann eine initiale Abklärung durch eine Sonografie des Abdomens erfolgen.

Fällt dabei ein HCC-verdächtiger Knoten auf, steht eine kontrastverstärkte MRT oder eine Kontrastmittelsonografie (CEUS) an. In der zirrhotischen Leber gelten eine arterielle Hypervaskularisation und Auswaschen in der portalvenösen und venösen Phase als charakteristisch für das Malignom. Hinzu kommen eine dynamische MRT für die lokale Ausbreitungsdiagnostik und eine kontrastverstärkte CT von Thorax und Bauchraum zur Stadieneinteilung.

Liefern zwei Bildgebungen unklare Ergebnisse oder steht eine palliative Therapie an, ist auch eine Leberbiopsie indiziert. Die Klassifikation maligner Lebertumoren beruht weiterhin auf histologischen Kriterien.

Rundherde unter 1 cm Durchmesser können Mediziner:innen im Dreimonatsturnus mittels entsprechender Bildgebung überwachen.

Labor

Immunhistologie/Molekularpathologie

Histologisch können Fachleute ein HCC feststellen, wenn typische Eigenschaften von Malignität (u.a. Atypie, Architekturstörungen, invasives Wachstum) und das charakteristische Erscheinungsbild von Hepatozyten (Galleproduktion, kräftig gefärbtes Zytoplasma, trabekuläres Wachstum…) zusammentreffen. Oft erfordert eine eindeutige Diagnose jedoch immunhistochemische und molekularpathologische Zusatzuntersuchungen. Als hepatozytenspezifische Marker eignen sich besonders HepPar1 und Arginase 1.

Bestimmte Subformen können durch spezifische Merkmale charakterisiert sein, z.B. eine DNAJB1-PRKCA-Translokation beim fibrolamellären Karzinom, was im Einzelfall zur Differenzialdiagnostik beitragen kann.

Eine Testung auf potenziell therapierelevante Genveränderungen ist beim HCC noch nicht routinemäßig etabliert, kann aber unter Umständen Sinn ergeben.

Blutmarker

HCC-Patient:innen weisen oft erhöhte Konzentrationen des Alpha 1-Fetoprotein (AFP) im Serum auf. Dieser Marker kann aber beispielsweise auch bei chronischer Hepatitis, Leberzirrhose oder einer Schwangerschaft erhöht sein. Von daher wird er statt zur Diagnose hauptsächlich für die Verlaufskontrolle und Therapieüberwachung genutzt. Prognostisch gilt ein hoher oder rasch ansteigender Wert von AFP beispielsweise als Marker für ein hohes postoperatives Rezidivrisiko und als relative Kontraindikation für eine Transplantation.

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Differenzialdiagnostik

Ärzt:innen müssen ein HCC von folgenden Entitäten abgrenzen:

  • Metastasen extrahepatischer Tumoren (90 % der malignen Raumforderungen)
  • intrahepatische Cholangiokarzinome
  • gutartige Lebertumoren (z.B. fokale noduläre Hyperplasie, Hepatozelluläres Adenom)
  • prämaligne Läsionen (dysplastische Knoten)

Dabei erweist sich unter anderem das charakteristische Kontrastmittelverhalten in der Bildgebung als Kriterium. Hinzu kommt das histologische Erscheinungsbild in der Biopsie, insbesondere bei hochdifferenzierten Tumoren.

Pharmakotherapie und nichtinvasive Therapie

Es stehen zahlreiche invasive und medikamentöse Therapieoptionen zur Verfügung. Für die Behandlungsentscheidung sollten Ärzt:innen die Tumorlast, die Leberfunktion und den allgemeinen Gesundheitszustand berücksichtigen.

HCC-Patient:innen im Child-Pugh-Stadium A (BCLC B oder C) mit Fernmetastasen oder einer Tumorlokalisation, die einer invasiven Behandlung nicht zugänglich ist, haben mehrere systemische Therapieoptionen. Die bevorzugte Erstlinientherapie besteht in Atezolizumab + Bevacizumab oder Durvalumab + Tremelimumab. Sind diese Kombinationen kontraindiziert, unverträglich oder kommt es zu einem Progress, nutzen Ärzt:innen einen Tyrosinkinaseinhibitor (Sorafenib, Lenvatinib). Nach Sorafenib stehen als weitere Therapielinien Regorafenib, Cabozantinib oder Ramucirumab zur Verfügung.

Einzelne Patient:innen mit einem Child-Pugh Stadium B und einem guten Allgemeinzustand (ECOG 0 – 1) können Sorafenib oder einen PD1-Antikörper erhalten. Bei stark kompromittierter Leberfunktion (Child-Pugh Stadium C) gilt eine Systemtherapie hingegen nicht mehr als sinnhaft.

Klassische Chemotherapeutika haben nur lokal appliziert eine größere Bedeutung. Obwohl HCC prinzipiell weitere behandlungsrelevante Veränderungen aufweisen können (z.B. KRAS-Mutationen, MET-Aktivierung, hohe Tumormutationslast) spielen die entsprechenden Wirkstoffe außerhalb von Studien und Heilversuchen noch keine Rolle.

Invasive und Interventionelle Therapie

Resektion

Eine Resektion stellt bei nicht-zirrhotischer Leber die Behandlung der Wahl dar, sofern sie vollständig möglich scheint (R0-Resektion). Bei bis zu 60 % dieser Patient:innen gelingt eine kurative Entfernung der betroffenen Areale.

Im Falle einer Zirrhose empfiehlt sich eine Resektion insbesondere für einzelne, große Herde, wenn dies die Leberfunktion nicht kompromittiert. Allgemein richtet sich die Sinnhaftigkeit nach Größe und Lage der Tumoren, der funktionellen Reserve der Leber, einer möglichen portalen Hypertonie und dem Allgemeinzustand. Für eine Heilung müssen Chirurg:innen einen ausreichenden Abstand zu den Malignomen einhalten und genug gesundes Lebergewebe belassen können.

Lokale Behandlungsmethoden

Thermoablative Verfahren

Radiofrequenzablation und Mikrowellenablation zerstören das kranke Gewebe durch Hitze und bilden bei kleinen Tumoren (< 3 cm) eine nahezu gleichwertige Alternative zur Leberteilresektion. Sie werden tendenziell dann bevorzugt, wenn der Tumor ungünstig für eine operative Entfernung liegt oder der/die Erkrankte bereits eine eingeschränkte Leberfunktion hat.

Transarterielle Verfahren

Eine Transarterielle Chemoembolisation (TACE) oder Radioembolisation (TARE) appliziert eine Therapie direkt am Tumor und zerstören dessen Blutversorgung. Bei der TACE werden dazu Partikel in die versorgende Arteriole eingebracht, sodass sich ein Thrombus bildet. Zusätzlich wird ein Zytostatikum in den Tumorherd eingeleitet. Diese Prozedur können Ärzt:innen mehrfach wiederholen, solange zugängliche hypervaskularisierte Läsionen verbleiben und ein Ansprechen anhält.

Bei einer TARE werden die tumoreigenen Gefäße wiederum mit kleinen Kügelchen verstopft, die eine Strahlungsquelle mit kurzer Reichweite enthalten. Diese Behandlung erfolgt meist nur einmal.

Solche Verfahren können ein HCC nicht heilen, aber das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Eine TACE oder TARE wird bevorzugt Patient:innen im intermediären Stadium angeboten, für die keine kurativen Behandlungsoptionen existieren. Dabei stellt eine dekompensierte Leberfunktion ein Ausschlusskriterium dar.

Eine Chemoembolisation kann andererseits auch genutzt werden, um große Herde für eine Thermoablation vorzubereiten. Darüber hinaus eignen sich die transarteriellen Verfahren auch zur Überbrückung beziehungsweise zum Downstaging, um doch noch eine operative Entfernung oder Transplantation zu ermöglichen.

Stereotaktische Bestrahlung

Eine hochpräzise Bestrahlung unter Schonung gutartigen Lebergewebes kann eine Alternative zu den vorgenannten Methoden der lokalen Kontrolle darstellen. Dies gilt vor allem, wenn die anderen Verfahren nicht oder nur eingeschränkt möglich sind.

Lebertransplantation

Erkrankte mit Zirrhose und auf die Leber beschränkten Tumoren erreichen durch eine Transplantation die höchsten Langzeitüberlebensraten und das geringste Rezidivrisiko. Dabei beseitigt der Eingriff auch die zugrunde liegende Lebererkrankung.

Um die Erfolgsaussichten einer Transplantation abzuschätzen, berücksichtigen Ärzt:innen unter anderem Zahl und Größe der Tumorknoten (Mailand-Kriterien). Gegebenenfalls kann eine Resektion, Ablation oder TACE die Tumorlast verringern („Downstaging“) beziehungsweise während der Wartezeit einem Progress vorbeugen. Eine Transplantation kann unter Umständen auch dann die bestmögliche Option darstellen, wenn eine operative Entfernung des Tumors möglich scheint, beispielsweise bei hohem Rezidivrisiko. Eine adjuvante Therapie nach Transplantation ist bisher nicht üblich.

Fortgeschrittenes Alter stellt kein absolutes Ausschlusskriterium dar. Erkrankte mit extrahepatischen Metastasen oder einer Invasion großer Lebergefäße eignen sich hingegen nicht für eine Transplantation.

Prävention

Bestimmte Faktoren erhöhen das HCC-Risiko. Dazu zählen:

  • Leberzirrhose
  • fortgeschrittene Leberfibrose
  • chronische Hepatitis-B-Infektion
  • chronische Hepatitis-C-Infektion
  • nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (etwa 25 % der Weltbevölkerung) und/oder Steatohepatitis
  • chronischer Alkoholmissbrauch
  • Anabolika-Missbrauch
  • Aflatoxine (Schimmelpilzgifte)
  • Diabetes
  • Adipositas
  • Hämochromatose
  • Morbus Wilson
  • Alpha1-Antitrypsinmangel
  • akute intermittierende Porphyrie
  • Morbus Gaucher
  • Glykogenspeicherkrankheit, vor allem Typ Ia und Ib
  • Tyrosinämie Typ1 (besonders frühes Erkrankungsalter)

Zusammenfassend ist eine Leberzirrhose jeglicher Genese der wichtigste Risikofaktor für ein HCC. Je nach Ursache der Leberschädigung entwickeln pro Jahr etwa 1-8 % ein Malignom. Für besonders gefährdete Gruppen empfiehlt die S3-Leitlinie die Teilnahme an einem Früherkennungsprogramm. Dabei erfolgen alle sechs Monate Ultraschalluntersuchungen des Oberbauchs, fakultativ ergänzt um eine AFP-Bestimmung.

Viele dieser Risikofaktoren lassen sich vermeiden. Die STIKO empfiehlt, alle Säuglinge gegen das Hepatitis-B-Virus zu impfen und die Impfung anderenfalls bis zur Volljährigkeit nachzuholen. Darüber hinaus sollte man mögliche Auslöser einer chronischen Lebererkrankung ursächlich angehen. Liegt beispielsweise bereits eine chronische Hepatitis B oder Hepatitis C vor, sollte eine angemessene antivirale Therapie erfolgen. Darüber hinaus zählen ein gesunder Lebensstil und eine Alkoholabstinenz bei bestehender Lebererkrankung zur Prävention.

Quellen

S3-Leitlinie "Diagnostik und Therapie des Hepatozellulären Karzinoms und biliärer Karzinome", Stand August 2023; AMWF-Registernummer 032-053OL; www.amwf.org

Basisinformationen Leberkrebs/Hepatozelluläres Karzinom der Deutschen Krebsgesellschaft; abgerufen am 16.02.2024

Kodierhilfe Lebertumor des Comprehensive Cancer Center Freiburg, September 2014

Leitlinien

S3-Leitlinie "Diagnostik und Therapie des Hepatozellulären Karzinoms und biliärer Karzinome", Stand August 2023; AMWF-Registernummer 032-053OL; www.amwf.org

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