Follikuläres Lymphom: Biomarker als Wegweiser für die Wahl der Chemotherapie

Josef Gulden

Insgesamt sieben Gene werden in dem klinisch-genetischen Risikomodell m7-FLIPI im Hinblick auf ihren Mutationsstatus überprüft. Insgesamt sieben Gene werden in dem klinisch-genetischen Risikomodell m7-FLIPI im Hinblick auf ihren Mutationsstatus überprüft. © iStock/enot-poloskun

In der Erstlinie des follikulären Lymphoms spielt die Chemotherapie im Regelfall eine wichtige Rolle. Möglicherweise können molekulargenetische Marker helfen, die für den jeweiligen Patienten optimale Behandlung zu finden. Ob die Chemo in Zukunft noch dazu zählt, ist aber fraglich.

Der Follicular Lymphoma International Prognostic Index (FLIPI) war über lange Jahre das wichtigste klinische Werkzeug für die Abschätzung der Prognose von Patienten mit follikulärem Lymphom. Vor einigen Jahren wurde der m7-FLIPI vorgestellt, ein klinisch-genetisches Risikomodell, in das zusätzlich der ECOG-Performancestatus und der Mutationsstatus von sieben Genen* eingehen.

Mithilfe des Modells kann man die Risikostratifizierung von Personen mit fortgeschrittenem follikulärem Lymphom unter einer Frontline-Immunchemotherapie deutlich verbessern, erläuterte Dr. Vindi ­Jurinovic vom Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie an der LMU München. Ursprünglich an Kohorten entwickelt und getes­tet, die mit R-CHOP bzw. R-CVP behandelt worden waren, sollte der ­m7-FLIPI nun auch an Populationen überprüft werden, die in der GALLIUM-Studie die CD20-Antikörper Rituximab oder Obinutuzumab und drei verschiedene Chemotherapien (CHOP, CVP oder Bendamustin) erhalten hatten.

Das hierbei gefundene Muster war kompliziert, konstatierte die Referentin. Insgesamt war eine Hochrisiko-Klassifizierung nach m7-FLIPI tatsächlich signifikant mit einem kürzeren progressionsfreien Überleben assoziiert (HR 1,52; p = 0,030). Betrachtete man allein Patienten, die rituximabbasierte Therapien erhalten hatten, traf dies ebenfalls zu (HR 1,67; p = 0,037), nicht hingegen für die mit Obinutuzumab behandelten (1,24; p = 0,49).

Keine Vorhersagekraft bei Bendamustin-Therapie

Unterschiedlich waren die Verhältnisse auch im Hinblick auf die Chemotherapie: Bei CHOP oder CVP war der m7-FLIPI signifikant prognostisch (HR 2,05; p = 0,013) und übertraf den klassischen ­FLIPI in seiner Vorhersagegenauigkeit deutlich. Das galt jedoch nicht für die mit Bendamustin behandelten Teilnehmer (HR 1,23; p = 0,42).

Von den im m7-FLIPI berücksichtigten Mutationen haben diejenigen im EZH2-Gen das größte Gewicht, berichtete Dr. Jurinovic. Lagen sie vor, so verlängerte das bei Patienten, die CHOP oder CVP erhielten, deutlich das progressionsfreie Überleben (HR 0,25; p = 0,0036). Auf die Bendamustin-Behandlung traf das allerdings nicht zu (HR 1,11; p = 0,71).

Die weitere Analyse ergab eine statistisch signifikante Interaktion zwischen Chemotherapie-Regime und EZH2-Mutation. Für unmutierte Patienten war Bendamustin den anderen Chemotherapien überlegen (HR 0,55), für diejenigen mit Mutation hingegen unterlegen (HR 2,42). Sollten sich diese Befunde bestätigen lassen, könnte sich der Nachweis einer EZH2-Mutation zu einem nützlichen Biomarker entwickeln, der die Auswahl der Chemotherapie beim neu diagnostizierten follikulären Lymphom leiten könnte.

Obinutuzumab und Lenalidomid in der Erstlinie?

Die in der Hämatologie zu beob­achtende Tendenz, von Chemotherapien wegzukommen, ist auch beim follikulären Lymphom erkennbar. Bei der rezidivierten Erkrankung hat sich die Kombination aus Obinutuzumab und dem Immunmodulator Lenalidomid als wirksam und gut verträglich erwiesen, weshalb sie in einer Phase-2-Studie am MD Anderson Cancer Center in Houston auch bei neu diagnostizierten Patienten mit hoher Tumorlast getestet wurde.

Obinutuzumab wurde bei den 90 unbehandelten Patienten über zweieinhalb Jahre gegeben, Lenalidomid für die ersten sechs Monate mit 20 mg/d für drei von vier Wochen und je nach Qualität des Ansprechens dann in der Dosierung reduziert.

Nach zwei Jahren noch 96 % ohne Progression

Nach median 22 Monaten Nachbeobachtung lag die progressionsfreie Zwei-Jahres-Überlebensrate bei 96 %. Das heißt, nur zwei Teilnehmer waren bis zu diesem Zeitpunkt progredient, so Professor Dr. ­Loretta J. ­Nastoupil, MD Anderson Cancer Center, Houston. Nach vier Zyklen lag die Gesamt­ansprechrate bei 98 %, die Komplett­remissionsrate bei 92 %.

Bei einem gut handhabbaren Toxizitätsprofil (elf Patienten mussten die Therapie wegen Nebenwirkungen beenden) scheinen die sehr hohen Komplettremissionsraten und die Zwei-Jahres-Prognose eine weitere Überprüfung dieses Regimes beim neu diagnostizierten follikulären Lymphom zu rechtfertigen, schussfolgerte die Expertin. 

* EZH2, ARID1A, MEF2B, EP300, FOXO1, CREBBP, und CARD11

Quelle: Jurinovic V et al. ASH 2019; Abstract #122 Nastoupil LJ et al. ASH 2019; Abstract #125

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Insgesamt sieben Gene werden in dem klinisch-genetischen Risikomodell m7-FLIPI im Hinblick auf ihren Mutationsstatus überprüft. Insgesamt sieben Gene werden in dem klinisch-genetischen Risikomodell m7-FLIPI im Hinblick auf ihren Mutationsstatus überprüft. © iStock/enot-poloskun