Thromboembolien: Vor der Kontrazeptiva-Verordnung ans Risikoprofil denken

Autor: Dr. Judith Lorenz

Durch eine Reduktion der Ethinylestradioldosis im Kontrazeptivum lässt sich die Thrombosegefahr reduzieren. Durch eine Reduktion der Ethinylestradioldosis im Kontrazeptivum lässt sich die Thrombosegefahr reduzieren. © iStock.com/TanyaJoy

Die Vorteile hormoneller Verhütungsmittel sind weitreichend bekannt. Über das Thromboembolierisiko herrscht jedoch weiterhin oft Unsicherheit. Zeit für ein Update.

Seit die erste „Pille“ in den 1960er-Jahren auf den Markt kam, beschäftigt eine Komplikation die Fach- und Laienpresse: das erhöhte Risiko für venöse Thromboembolien (VTE). Ohne hormonelle Verhütung ist die Inzidenz im reproduktiven Alter gering und beträgt etwa 1–5 pro 10 000 Frauenjahre. Mit zunehmendem Alter und Körpergewicht nimmt die Gefahr allerdings zu, schreibt Privatdozentin Dr. Sabine Segerer vom Amedes Experts Facharztzentrum für Kinderwunsch, Pränatale Medizin, Endokrinologie und Osteologie in Hamburg.

Höchstes Risiko in den ersten Monaten der Einnahme

Weitere Risikofaktoren stellen u.a. Nikotinkonsum, Beinlähmungen, Krebserkrankungen, Traumata, Klinikaufenthalte sowie Immobilität dar. Auch eine Thromboembolie in der Eigen- oder Familienanamnese sowie eine angeborene Thrombophilie prädisponieren für Gefäßverschlüsse. Angesichts der Seltenheit fataler VTE hält die WHO ein generelles Thrombophiliescreening bei Erstanwenderinnen hormoneller Kontrazeptiva nicht für gerechtfertigt. Im Einzelfall, so Dr. Segerer, sei jedoch bei positiver Anamnese bzw. bei vorangegangener Totgeburt oder rezidivierenden Aborten eine Testung nach entsprechender Aufklärung gemäß Gendiagnostikgesetz zu erwägen.

Nicht alle Hormonpräparate haben ein gleich hohes VTE-Risiko. Bei kombinierten oralen Kontrazeptiva verdoppelt es sich beispielsweise auf etwa 9–10 pro 10 000 Frauenjahre. Das höchste Erkrankungsrisiko besteht dabei in den ersten Einnahmemonaten sowie bei Wechsel des Präparats mit länger als vierwöchiger Einnahmepause.

Einfluss der Gestagen­komponente wird diskutiert

Eine wichtige Rolle spielt der Östrogenanteil. Da Ethinylestradiol das Gleichgewicht der Gerinnungsfaktoren stört, lässt sich durch eine Dosisreduktion das VTE-Risiko senken. Ob Dosen unter 35 µg zu einer weiteren Risikoabnahme führen, ließ sich bislang nicht belegen. Ebenfalls wird noch kontrovers diskutiert, ob Pillen, die die „natürlichen“ Östrogene Estradiol bzw. Estradiolvalerat enthalten, seltener zu thromboembolischen Komplikationen führen und welchen Einfluss die Gestagenkomponente hat. Bisherige Daten lassen lediglich darauf schließen, dass Levonorgestrel mit dem geringsten VTE-Risiko einhergeht. Zu dem häufig kritisierten Drospirenon ist die Studienlage zur Zeit nicht eindeutig.

Die Hoffnung, dass vaginale und transdermale hormonelle Kontrazeptiva seltener mit Thromboembolien einhergehen, widerlegt die Wissenschaft: Sowohl der Vaginalring als auch die Pflaster erhöhen das Risiko in wahrscheinlich ähnlichem Ausmaß wie eine Kombinationspille. Reine Gestagenpillen, -implantate sowie Gestagen-freisetzende Intrauterinsysteme steigern dagegen die Gefahr offenbar nicht. Für Depot-Medroxyprogesteronacetat gibt es diesbezüglich noch keine klaren Ergebnisse.

Für die Verschreibung hormoneller Verhütungsmittel in der Praxis empfiehlt Dr. Segerer: Frauen mit angeborenen oder erworbenen bzw. multiplen VTE-Risikofaktoren sollten keine kombinierten hormonellen Kontrazeptiva, sondern reine Gestagenpräparate erhalten. Verhütungsmittel der ersten Wahl bei positiver VTE-Eigenanamnese oder Thrombophilie sind gemäß WHO-Leitlinie Intra­uterinpessare.

Quelle: Segerer SE. internistische praxis 2018; 59: 633-641