Gangstörungen Keine wackeligen Diagnosen

Autor: Maria Weiß

Gangstörungen sind bei Älteren häufig erworben und behandelbar. Gangstörungen sind bei Älteren häufig erworben und behandelbar. © methaphum – stock.adobe.com

Wenn Hochbetagte sich beim Laufen schwer tun, sollte dies nicht einfach als altersbedingt abgetan werden. Es gilt, behandelbare myopathische oder neurologische Ursachen zu identifizieren und zu therapieren.

Die Sarkopenie – oder besser: die Atrophie – des alternden Muskels sollte bei Senioren immer eine Ausschluss­diagnose sein, betonte Privatdozentin Dr. Angela Rosenbohm­ von der Neurologischen Universitätsklinik Ulm. Denn Gangstörungen können zahlreiche andere Ursachen zugrunde liegen. Paresen, Myalgien, Krämpfe und EMG-Veränderungen weisen auf eine Myopathie, ebenso eine CK-Erhöhung. Bei Älteren findet man vor allem erworbene Formen, die entzündlich, hormonell oder toxisch bedingt sein können und oft behandelbar sind. In sehr seltenen Fällen können sich auch hereditäre Formen im höheren Alter manifestieren.

Bei der Myositis klagen die Patienten oft über Myalgien und es zeigt sich eine Spontanaktivität im EMG. Als Beispiel nannte die Neurologin die Dermatomyositis, die vor allem durch symmetrische proximale Paresen gekennzeichnet ist. Manifestationen an distalen Muskeln, Halsmuskeln/Rückenstrecker und der Schluckmuskulatur sind ebenfalls möglich. 60 % der Betroffenen geben Myalgien an und 20–42 % haben zusätzliche Hautveränderungen. Der Altersgipfel liegt zwischen 40 und 60 Jahren, es erkranken aber auch deutlich Ältere daran. Ein typisches EMG-Muster und der Biopsiebefund tragen zu Diagnose bei, zudem gibt es myositisspezifische Antikörper.

Mangel an Vitamin B12 oder B1 ausschließen

Zu den möglichen endokrinen Ursachen einer Myopathie zählen Cushing-Syndrom, Nebennierenrindeninsuffizienz, Hyperthyreose sowie Hypo- und Hyperparathyreo­idismus. Toxische Formen können durch Statine, Steroide, Protease­inhibitoren, Alkohol oder Immuncheckpoint-Inhibitoren ausgelöst werden.

Neben den Myopathien muss man zahlreiche andere Ursachen für Gangstörungen und gehäufte Stürze in Betracht ziehen (s. Kasten). Gerade Polyneuropathien findet man bei geriatrischen Patienten sehr oft. In diesem Fall sollten vor allem häufige, behandelbare Ursachen wie Vitamin-B12- oder -B1-Mangel ausgeschlossen werden – genauso wie ein noch unentdeckter Diabetes mellitus.

Mögliche Ursachen für Mobilitätsprobleme im Alter

  • Myopathien (entzündlich, endokrin, toxisch, hereditär)
  • Fehlregulation der zentralen Steuerung, z.B. Parkinson-Syndrom, ­Residuen nach Schlaganfall, Polyneuropathie, eingeschränkte ­Gegenregulation bei Gleichgewichtsstörungen, Antriebsstörungen­ (aufgrund von Demenz, Delir, Medikamenten, Schmerzen etc.), ängstliche Fehlregulation nach Sturz
  • Sinnesstörungen oder Gelenkbeschwerden, z.B. Katarakt, Makula­degeneration, Vestibulopathie, Polyarthrose
  • Kreislaufstörungen, z.B. bei Aortenstenose, PAVK, KHK, Herz­insuffizienz, orthostatischer Dysregulation, COPD

Die „Sarkopenie“ als solche stellt für Dr. Rosenbohm eher eine Art Symptom im Alter dar. Gekennzeichnet ist die Atrophie durch eine eingeschränkte muskuläre Funktionalität mit verminderter Muskelmasse, Handkraft und Gehgeschwindigkeit. Das EMG zeigt meist keine konkreten Veränderungen. Zahlreiche Ursachen wie Hormondefizite, Mangelernährung, reduzierte körperliche Aktivität und Neurodegeneration können dazu beitragen. Sturzgefahr und Mortalität sind deutlich erhöht. Mit Ernährungsberatung, Gangschulung und Krafttraining kann entgegengewirkt werden. 

Quelle: 33. Jahrestagung der DGG*

* Deutsche Gesellschaft für Geriatrie; Online-Veranstaltung