Cannabistherapie kann Rückfall bei trockenen Alkoholikern auslösen

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Gerade bei abstinenten Alkoholikern sind Cannabispräparate als Medikament ein No-Go. Gerade bei abstinenten Alkoholikern sind Cannabispräparate als Medikament ein No-Go. © iStock/Nastasic

Die Anwendung von Cannabisderivaten erfreut sich in verschiedenen Fachdisziplinen zunehmender Beliebtheit. Insbesondere bei trockenen Alkoholikern gilt jedoch äußerste Vorsicht.

Medizinisches Cannabis lindert diverse Symptome, etwa die Spastik bei Multipler Sklerose oder Übelkeit und Erbrechen unter einer Zytostatikabehandlung. Dass die unterstützende Behandlung aber auch schief gehen kann, schildern Dr. Lilit Flöther von der Kölner Universitätsklinik und ihre Kollegen. Die Mediziner beschreiben einen 60-Jährigen, bei dem vor acht Jahren ein Mundbodenkarzinom behandelt wurde, seitdem war er rezidivfrei. Der Patient litt unter einer Depression und – schon vor der Tumorresektion – Cluster-Kopfschmerzen; außerdem hatte er bis 2017 übermäßig Alkohol getrunken, seitdem war er aber abstinent gewesen.

Er erhielt gegen die tumor- und behandlungsbedingten Schmerzen Buprenorphin-Pflaster (70µg/h) und bedarfsweise Hydromorphon bei Durchbruchschmerzen. Wegen der neuropathischen Schmerzen nahm er zusätzlich das Antidepressivum Amitriptylin. Jedoch klagte er weiterhin über Appetitlosigkeit und deutliche Kachexie mit einem Körpergewicht von 50 kg (nach früher 90 kg). Daher verschrieben die behandelnden Ärzte zusätzlich Cannabis-Spray, das u.a. 9-Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol enthielt.

Nach dem Absetzen wieder abstinent geworden

Da der Patient das Spray gut vertrug, wurde die Dosis bis auf zweimal zwei Hübe täglich erhöht. Doch schon nach etwa einer Woche trank der Mann wieder. In kurzer Zeit waren etwa ca. 1200 g reiner Alkohol zusammengekommen. Die Behandler setzen das Spray sofort ab. Innerhalb von zehn Tagen erreichte der Patient wieder seine vorherige Abstinenz. Weist ein Patient eine Abhängigkeitsanamnese auf, ist demnach Vorsicht geboten, bevor man ihm medizinisches Cannabis verschreibt, betonen die Autoren. Das gilt bei früheren Alkoholabhängigen umso mehr, wenn das Cannabisprodukt Alkohol enthält – wie es hier der Fall war: Jeder Sprühstoß lieferte dem Patienten gleichzeitig 0,04 g Ethanol.

Quelle: Flöther L et al. Dtsch Med Wochenschr 2019; 144: 1135-1137