Eine Falldebatte zur optimalen Therapie des N1-Prostatakarzinoms

Dr. Moyo Grebbin

Die meisten Männer mit nicht-metastasiertem Hochrisiko-Prostata­karzinom erhalten bereits eine lokale Radiatio oder OP. Die meisten Männer mit nicht-metastasiertem Hochrisiko-Prostata­karzinom erhalten bereits eine lokale Radiatio oder OP. © iStock/Dr_Microbe

Auch wenn Techniken wie die PSMA PET/CT heute eine genauere Einstufung von Prostatatumoren ermöglichen als noch vor einigen Jahren: Die Frage nach der optimalen Therapiekonsequenz bleibt offen. Vier Experten diskutierten dazu auf dem ESOU22-Kongress.

In den aktuellen Richtlinien der EAU und anderer Organisationen ist festgehalten: Es existieren keine Outcome-Daten, aus denen sich ein Folgemanagement nach Detektion positiver Lymphknoten per PSMA PET/CT bei Prostatakrebs-Patienten ableiten lässt, erinnerte Dr. ­Juan ­Gómez ­Rivas von der Universitätsklinik San Carlos in Madrid. Als Fallbeispiel präsentierte er einen 51 Jahre alten Mann mit den folgenden Merkmalen:

  • PSA-Wert: 9,03
  • digital-rektale Untersuchung: negativ
  • MRT: PI-RADS 3 Läsion (7mm, rechts)
  • Adenokarzinom der Prostata, Gleason 4+3 in 1/6 Kernbiopsien (links); Gleason 3+4 in 1/3 Kernbiopsien (Zielregion) und Gleason 4+3 in 5/8 Kernbiopsien (rechts)

In der Familie des Patienten gab es eine Reihe weiterer Fälle von Darm-, Prostata- und Brustkrebs. CT und Knochenscan waren negativ, ein ­PSMA-PET zeigte mehrere kleine Knoten (3–4 mm) im Gebiet der äußeren Iliakalgefäße.

Dr. Gómez Rivas und Kollegen entschieden sich für eine roboterassistierte radikale Prostatektomie und beidseitige erweiterte Lymphknotendissektion. Zusätzlich erhielt der Mann eine genetische Untersuchung. Pathogene Varianten von BRCA1/2, Mismacht-Reparaturgenen oder HOXB13 wurden dabei nicht gefunden. Das Resektat bestätigte sich als Gleason 4+4 (bilateral); pT3a pN1 R0, cM0. Dem Patienten geht es gut, er ist kontinent, mit erektiler Dysfunktion, berichtete der Referent.

Operation

Vorteile einer Prostatektomie sieht Prof. Dr. Dr. Alberto Briganti von der Universität Vita Salute San Raffaele in Mailand z.B. darin, dass so das wahre Ausmaß der Invasion festgestellt werden kann. Zudem erreiche man eine gute lokale Kontrolle und habe die Möglichkeit, angepasste Strategien anzubieten. Zu den Nachteilen gehörten natürlich kurz- und langfristige Beeinträchtigungen, räumte er ein. Nicht alle Patienten würden tatsächlich von dem Eingriff profitieren und ein abscopaler Effekt fehle.

Durch die PSMA PET werde die Erkrankung heute früher erkannt, was eventuell das Outcome verbessere, kommentierte Prof. Briganti. Trotzdem werde mit der Technik weiterhin oft die nodale Beteiligung unterschätzt. Welche Gruppe der cN1-positiven Männer besonders von einer Operation profitiert, müsse noch untersucht werden. Der Mangel an Evidenz stelle eine der Haupteinschränkungen bei der Therapiewahl dar, schlussfolgerte der Referent.

Bestrahlung

Dass eine zusätzliche Radiotherapie bei N0/Nx-Erkrankung im Vergleich zu alleiniger Androgendeprivation (ADT) das Ergebnis deutlich verbessert, ist seit Jahren bekannt, erinnerte Prof. Dr. Thomas Zilli von der Universität Genf. Daran ändere das PSMA PET/CT Staging nichts. In den APCCC-Richtlinien von 2019 hätten sich zudem knapp 40 % der Stimmberechtigten für die Radiatio als Lokalbehandlung ausgesprochen, nur 12 % für eine OP. Künftig könnte der Bestrahlungserfolg durch zielgerichtete Felder, Hypofraktionierung oder die Intensivierung, z.B. mithilfe neuer systemischer Agenzien, weiter verbessert werden, so Prof. Zilli.

Ein Argument gegen die Bestrahlung wurde in der Diskussion angesprochen: Das Risiko sekundärer Tumoren sei gerade bei jüngeren Patienten nicht vernachlässigbar. Dem stimmte etwa Referent Prof. Dr. Noel W. Clarke von den Christie und Salford Royal Kliniken und der Universität Manchester zu: Im konkreten Fall müsse man dies mit dem Patienten besprechen und sollte ihm eher zu einer Operation raten.

Lokale- plus Systemtherapie

Die meisten Männer mit nicht-metastasiertem Hochrisiko-Prostata­karzinom erhalten bereits eine lokale Radiatio oder OP. Das veranschaulichte Prof. Clarke in seinem Vortrag anhand aktueller Registerdaten. Für den Referenten stellte sich eher die Frage, was diese Patienten danach erhalten sollten.

Die zusätzliche Gabe von Docetaxel zur ADT nach lokaler Behandlung brachte leider keinen Vorteil für die Betroffenen, berichtete Prof. Clarke – weder in der 2019 publizierten GETUG-12-Studie noch in einer aktuell zur Publikation eingereichten eigenen Untersuchung aus der STAMPEDE-Studie. Im Gegensatz dazu habe sich eine Kombination aus primärer Radiotherapie, ADT und Abirateron bewährt und sollte seiner Ansicht nach zum neuen Standard werden. „Es halbierte die prostatakrebsspezifische Sterberate in etwa“, betonte der Referent. Zudem hätten die Patienten die Behandlung lediglich für zwei Jahre erhalten – dann habe sie geendet.

Auch im konkreten Fall, den er als „sehr hohes Rezidivrisiko“ einschätzte, würde er nicht abwarten, sondern den Mann sofort adjuvant behandeln. „Denn er wird einen Rückfall haben“, zeigte sich Prof. Clarke überzeugt.

Quelle:
Gómez Rivas J, Briganti A, Zilli T, Clarke N.W. ESOU22; Session: Optimal treatment of clinically node-positive prostate cancer in the PSMA PET/CT era
19th Meeting of the European Section of Oncological Urology

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Die meisten Männer mit nicht-metastasiertem Hochrisiko-Prostata­karzinom erhalten bereits eine lokale Radiatio oder OP. Die meisten Männer mit nicht-metastasiertem Hochrisiko-Prostata­karzinom erhalten bereits eine lokale Radiatio oder OP. © iStock/Dr_Microbe